Mit voller Kraft ins Verderben
Das Musical „Titanic“über den Untergang des Dampfers kommt in Neufassung nach Hamburg
„Die Geschichte der ,Titanic‘, das ist auch die Geschichte Southamptons.“Andrew Skinner steht im SeaCity Museum der britischen Hafenstadt und erzählt vom wohl berühmtesten Schiff der Welt. Angeblich unsinkbar, crashte der Luxusdampfer auf seiner Jungfernfahrt am 14. April 1912 einen Eisberg und versank nach zweieinhalb Stunden in der Nähe Neufundlands. Und mit ihm mehr als 1500 Menschen … Von ihnen wie auch den 711 Überlebenden weiß der Historiker zahllose Geschichten zu erzählen: Wie jene von dem neun Wochen alten Baby, das Violet Jessop, Stewardess in der 1. Klasse, im Rettungsboot auffing. „2009 ist diese jüngste und letzte Überlebende der ,Titanic‘ gestorben.“Oder von den drei jungen Männern, die eigentlich auf dem Traumschiff anheuern wollten, doch die Abfahrt verpassten, weil sie zu lange im Pub gesessen hatten: „Drinking can avoid sinking …“
Fast 700 der 900 Crewmitglieder stammten aus Southampton, von wo die „Titanic“aufbrach gen New York: Im Museum zeigt ein Stadtplan jener Zeit, dass fast in jeder Straße eine Familie von der Katastrophe betroffen war. Bis heute lebt die Stadt mit, aber auch von „dem Desaster, das zur Legende wurde“. Und das keineswegs allein in der Museumsschau, sondern ebenso in Büchern und Dokumentationen, im Theater, Kino – und nicht zuletzt auf der Musicalbühne. 1997 feierte das pompöse Schiffeversenken seine Premiere am Broadway, wurde mit fünf Tony Awards, so auch für das beste Musical ausgezeichnet – und legt nun in einer solchen Neuproduktion nach seiner Premiere in Southampton im August für zwei Wochen in der Hamburgischen Staatsoper an.
„Es ist ein schmaler Grat, auf dem wir wandeln, wenn wir eine der größten Tragödien aufarbeiten“, ist sich der künstlerische Leiter Thom Southerland der Herausforderung wohl bewusst. Denn man dürfe „weder die Historie einfach reproduzieren, noch die Frage nach der Schuld beantworten“. Was schon Komponist Maury Yeston und Texter Peter Stone fern gelegen hat: Stattdessen erzählen sie in der Musical-Version zahlreiche kleine Geschichten von den Passagieren und der Besatzung, unterlegt von einem pompösen, jedoch Hit-freien Klangteppich.
Anders als am Broadway oder auch 2002 in der Neuen Flora, wo Stage-Entertainment den Untergang des Luxusliners als opulentes Technik-Spektakel inszenierte, begnügen sich die Macher bei dieser Neuauflage allerdings mit einer Kammerspiel-Fassung. Solch eine Version taugt einfach besser als TourProduktion – und vielleicht hatte mancher auch noch den seinerzeitigen Hamburger Schiffbruch im Hinterkopf: Damals wurde das mehr als zehn Millionen Euro teure Technik-Spektakel nämlich nach nur zehn Monaten wieder abgesetzt, statt der notwendigen 750 000 Tickets waren gerade mal 400000 Karten verkauft worden. Nicht jedes Desaster taugt eben zur Legendenbildung.
➤ Staatsoper: 7.-19.8., Karten unter Tel. 35 68 68