Hamburger Morgenpost

Mit voller Kraft ins Verderben

Das Musical „Titanic“über den Untergang des Dampfers kommt in Neufassung nach Hamburg

- Von CHRISTOPH FORSTHOFF

„Die Geschichte der ,Titanic‘, das ist auch die Geschichte Southampto­ns.“Andrew Skinner steht im SeaCity Museum der britischen Hafenstadt und erzählt vom wohl berühmtest­en Schiff der Welt. Angeblich unsinkbar, crashte der Luxusdampf­er auf seiner Jungfernfa­hrt am 14. April 1912 einen Eisberg und versank nach zweieinhal­b Stunden in der Nähe Neufundlan­ds. Und mit ihm mehr als 1500 Menschen … Von ihnen wie auch den 711 Überlebend­en weiß der Historiker zahllose Geschichte­n zu erzählen: Wie jene von dem neun Wochen alten Baby, das Violet Jessop, Stewardess in der 1. Klasse, im Rettungsbo­ot auffing. „2009 ist diese jüngste und letzte Überlebend­e der ,Titanic‘ gestorben.“Oder von den drei jungen Männern, die eigentlich auf dem Traumschif­f anheuern wollten, doch die Abfahrt verpassten, weil sie zu lange im Pub gesessen hatten: „Drinking can avoid sinking …“

Fast 700 der 900 Crewmitgli­eder stammten aus Southampto­n, von wo die „Titanic“aufbrach gen New York: Im Museum zeigt ein Stadtplan jener Zeit, dass fast in jeder Straße eine Familie von der Katastroph­e betroffen war. Bis heute lebt die Stadt mit, aber auch von „dem Desaster, das zur Legende wurde“. Und das keineswegs allein in der Museumssch­au, sondern ebenso in Büchern und Dokumentat­ionen, im Theater, Kino – und nicht zuletzt auf der Musicalbüh­ne. 1997 feierte das pompöse Schiffever­senken seine Premiere am Broadway, wurde mit fünf Tony Awards, so auch für das beste Musical ausgezeich­net – und legt nun in einer solchen Neuprodukt­ion nach seiner Premiere in Southampto­n im August für zwei Wochen in der Hamburgisc­hen Staatsoper an.

„Es ist ein schmaler Grat, auf dem wir wandeln, wenn wir eine der größten Tragödien aufarbeite­n“, ist sich der künstleris­che Leiter Thom Southerlan­d der Herausford­erung wohl bewusst. Denn man dürfe „weder die Historie einfach reproduzie­ren, noch die Frage nach der Schuld beantworte­n“. Was schon Komponist Maury Yeston und Texter Peter Stone fern gelegen hat: Stattdesse­n erzählen sie in der Musical-Version zahlreiche kleine Geschichte­n von den Passagiere­n und der Besatzung, unterlegt von einem pompösen, jedoch Hit-freien Klangteppi­ch.

Anders als am Broadway oder auch 2002 in der Neuen Flora, wo Stage-Entertainm­ent den Untergang des Luxusliner­s als opulentes Technik-Spektakel inszeniert­e, begnügen sich die Macher bei dieser Neuauflage allerdings mit einer Kammerspie­l-Fassung. Solch eine Version taugt einfach besser als TourProduk­tion – und vielleicht hatte mancher auch noch den seinerzeit­igen Hamburger Schiffbruc­h im Hinterkopf: Damals wurde das mehr als zehn Millionen Euro teure Technik-Spektakel nämlich nach nur zehn Monaten wieder abgesetzt, statt der notwendige­n 750 000 Tickets waren gerade mal 400000 Karten verkauft worden. Nicht jedes Desaster taugt eben zur Legendenbi­ldung.

➤ Staatsoper: 7.-19.8., Karten unter Tel. 35 68 68

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Isidor und Ida Straus, Passagiere der 1. Klasse, ahnen noch nicht, was auf sie zukommt.
 ??  ?? Verzweifel­t bemühen sich die Funker um Hilfe. Titanic-Kapitän Edward Smith wollte nach der Fahrt in den Ruhestand gehen.
Verzweifel­t bemühen sich die Funker um Hilfe. Titanic-Kapitän Edward Smith wollte nach der Fahrt in den Ruhestand gehen.

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