Wie Trumps Wut-Tweet den Westen zerstörte
US-Präsident nimmt Zustimmung zu Abschlusserklärung per Twitter wieder zurück. Jetzt droht neue Welle von Zöllen auf Autos. Nur Putin freut sich
LA MALBAIE - Zwischen Triumph und Tragödie liegen mitunter Minuten. Für einen Moment sah es aus, als würde diesem G7-Gipfel im kanadischen Quebec die Schmach erspart bleiben – mühsam war eine Abschlusserklärung zu Papier gebracht worden. Doch bereits im Flieger Richtung Singapur sitzend entzog USPräsident Trump dem Papier per Tweet die Zustimmung. Ein einmaliger Vorgang und schwerer Schlag für die westliche Staatengemeinschaft.
„Wir Kanadier sind freundlich, aber wir lassen uns nicht herumschubsen“, hatte Justin Trudeau im Konferenzsaal A geäußert. Da war der Gipfel eigentlich schon Geschichte. Für seine Verhältnisse forsch, doch in der Sache nicht neu begründete der kanadische Premier, warum sein Land die beschlossenen Gegenzölle auf US-Waren ab dem 1. Juli in Kraft setzen werde.
Nur erahnen lässt sich, was sich gleichzeitig in der Präsidentenmaschine „Air Force One“über dem Atlantik abspielte: Manch einer berichtet von einem Tobsuchtsanfall Trumps. Belegbar ist aber nur, was via Twitter auf die Welt einprasselte: Trudeau habe sich während des Gipfels noch „lammfromm und milde“verhalten – in seiner Pressekonferenz nach dem Treffen dann aber „falsche Äußerungen“ von sich gegeben. Trump nannte den Kanadier einen „sehr unehrenhaften und schwachen Gastgeber“. Und bestrafte am Ende alle, indem er seine Unterstützung des G7-Kommuniqués wieder zurückzog.
Ein nie dagewesener Eklat in der über 40-jährigen Geschichte der Gruppe, die bislang stets gewillt war, politisch Einheit zu demonstrieren. Trump zeigt einmal mehr, wie dünnhäutig, wie unberechenbar er ist. Dabei war er es zuvor, der die anderen Staatslenker in La Malbaie düpierte. Er traf verspätet ein, erschien unpünktlich zu Gesprächsrunden, stieß Drohungen aus, reiste vorzeitig wieder ab.
Am Sonnabendmittag, dem freundlichsten Moment des Gipfels, betonte er noch, auf einer Skala von 1 bis 10 würde er die Beziehung zu „Angela und Emmanuel und Justin“mit einer 10 bewerten. Und gebar sich als Anhänger des Freihandels: „Keine Zölle und keine Hemmnisse, so sollte es sein.“Auch Subventionen sollten gestrichen werden. „Wir wollen überhaupt nichts bezahlen, warum sollten wir“, fügte er an. Die Welt durfte für einen Moment staunen ...
Was jetzt droht, ist das genaue Gegenteil: Trump kündigte Strafzölle auf Autos an, die den „US-Markt überschwemmen“. Die EU zeigte sich weiter unbeirrt: „Wir halten an dem Kommuniqué
fest, so wie es von allen Teilnehmern vereinbart wurde“, hieß es vom EU-Ratspräsidenten Donald Tusk. Und darin stand: Die Teilnehmer seien sich einig in der Notwendigkeit eines „freien, fairen Handels zum gegenseitigen Nutzen“.
Paris feuerte eine Breitseite gegen Trump: Die internationale Kooperation dürfe nicht von Wutausbrüchen Einzelner abhängig sein.
Nur einer freute sich, der in der Zerstörung bestehender Strukturen sein strategisches Ziel sieht: Das „kreatives Gelaber“müsse aufhören, hieß es von Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Und schlug ein baldiges Treffen mit Donald Trump vor.