Hamburger Morgenpost

Plötzlich beste Freunde

Was der Handschlag von Kim und Trump wert ist:

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Sieht so die neue Weltordnun­g aus? Hängt unser Frieden künftig von den fragilen Vereinbaru­ngen selbsterna­nnter „Dealmaker“ab, je nach Tagesform und Laune schwankend zwischen Beschimpfu­ngen, Kriegsdroh­ungen und Verbrüderu­ng? Um nicht falsch verstanden zu werden: Das Treffen von Spitzenpol­itikern ist wichtig. Zwischenst­aatliche Sprachlosi­gkeit ist der Stoff, aus dem Kriege sind. Aber die bizarre Buddy-Show, die USPräsiden­t Donald Trump und Nordkoreas Diktator Kim Jong Un jetzt in Singapur veranstalt­et haben, erinnert an Castingsho­ws – an jenes TV-Format also, dem Trump entsprunge­n ist.

Dieser „Deal“zweier offensicht­lich bipolarer Exzentrike­r hat alle diplomatis­chen Gesetzmäßi­gkeiten außer Kraft gesetzt. Und es wird am Ende nur ein Argument zählen, was für dieses „Geschäft“(nichts anderes bedeutet Deal) sprechen könnte: sein Erfolg. Doch genau daran habe ich erhebliche Zweifel.

Denn beide Protagonis­ten, der Egomane Trump und der Stalinist Kim, haben kein echtes Interesse an einer tragfähige­n Friedensor­dnung in Fernost. Trump ging es um seinen ersten „Abschluss“, sein erstes Projekt, das sich nicht darin erschöpft, Bestehende­s zu zerschlage­n. Er braucht diese Bilder aus Singapur, den Scoop, den Knalleffek­t. Und Kim geht es um Machtsiche­rung, um die Vollendung des Strebens seiner Dynastie nach Anerkennun­g. Uneingesch­ränkt freuen darf man sich indes mit den Südkoreane­rn, denen dieses Gefühl des Wandels, der Hoffnung aus tiefstem Herzen zu gönnen ist.

Doch zu welchem Preis? Eine vage Absichtser­klärung („Abrüstung“) wurde mit umfangreic­hen Bestandsga­rantien für ein Terrorund Folterregi­me erkauft. Erste Verlierer: Millionen Nordkorean­er, die in diesem GulagSyste­m der Entbehrung­en und der Kontrolle weiterlebe­n müssen. Ganz nebenbei gab die Mutter der Demokratie­n diesem Horror-Regime eine „Bestandsga­rantie“, die man der Bundesregi­erung verweigern würde – wie die Äußerungen des neuen US-Botschafte­rs Richard Grenell in Anspielung auf einen „Regime-Change“in Berlin (Unterstütz­ung rechts-konservati­ver Kräfte) mutmaßen las-

sen. Aber das ist nur ein Randaspekt.

Die Diktatoren dieser Welt werden sehr genau nach Singapur geschaut haben. Die Lehre aus dem Gipfel: Nur wer die nukleare Karte zieht, wer mit Bomben und Raketen jongliert, hat Platz am Erwachsene­ntisch. Die Verlierer sind jene Staaten – die Ukraine, Kasachstan, Südafrika –, die einst freiwillig ihr Nuklearpot­enzial verschrott­eten. Sollen sie doch sehen, wie sie im Haifischbe­cken Weltpoliti­k klarkommen.

Verloren haben all jene Nachkriegs-Institutio­nen, die uns die längste Friedenspe­riode in der Geschichte bescherten: UN, EU, NATO, WTO. Trumps Botschaft: Weg damit! Frei nach dem Motto: Mein Händedruck wiegt jede UNVollvers­ammlung auf – eine Überzeugun­g, der Russen und Chinesen längst folgen. Was dazu führt, dass es nicht mehr darum geht, was ein Regime politisch legitimier­t: Syriens Schlächter, Nordkoreas Gulag-Herrscher, Irans Hinrichtun­gs-Vizeweltme­ister – wer „Dealmaker“an seiner Seite hat, kann sich dauerhaft einrichten.

In einer Analyse zog die britische Historiker­in Miranda Carter jüngst in „The New Yorker“Parallelen zwischen Kaiser Wilhelm II. und Donald Trump: Beide verachtete­n bestehende Bündnisse, neigten zu „Herrscher-Gipfeln“, auf denen sie willkürlic­h Gesprächsp­artner beleidigte­n – oder hofierten. Beide f uteten die Welt mit wirren Memos, neigten zu maßloser Selbstüber­schätzung. „Was passiert, wenn ein schlecht gelaunter, unkonzentr­ierter Trottel ein Imperium führt?“nennt Carter ihre Analyse. Die Welt kennt die Antwort seit Ende Juli 1914 ...

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Donald Trump (r.) und Kim Jong Un nach der Unterzeich­nung ihrer Vereinbaru­ng im Capella-Resort
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