Gratis! Der Meister-Fotograf zeigt seine Filme
Auch Anton Corbijns Hamburg-Streifen gibt’s auf dem Rathausmarkt zu sehen
U2, Depeche Mode, Johnny Cash, Mick Jagger – Fotograf und Regisseur Anton Corbijn (63) hatte sie schon alle vor seiner Kamera. Während im BuceriusKunst-Forum seine Bilder ausgestellt werden, zeigt das Freiluftkino am Rathausmarkt vom 3. bis 10.8. vier seiner Filme.
MOPO: Herr Corbijn, 2012 haben Sie Teile des Spionage-Thriller „A Most Wanted Man“, dem letzten Film mit Philip Seymour Hoffman († 46), in Hamburg gedreht. Haben Sie gute Erinnerungen daran? Anton Corbijn: Oh ja. Noch bevor das Script dafür geschrieben war, kam ich nach Hamburg und fuhr mit dem Rad die ganze Stadt ab, um zu gucken, was sich als Drehort eignen würde. Ich wollte, dass die Stadt Teil des Drehbuchs wird.
Ihren ersten Videoclip drehten Sie auch in Hamburg. 1983 war das, richtig?
Ja, für die Band Palais Schaumburg, der Song hieß „Hockey“. Aber wenn ich mir den Clip heute anschaue, finde ich den eher peinlich, weil er so kindlich ist.
Lange her ... heute sind Sie ein weltbekannter Rockfotograf.
Nun, ich hoffe, dass ich ein weltbekannter Fotograf bin!
Ein Rockfotograf ist für mich etwas anderes, ich mag den Begriff nicht. Warum nicht?
Bei Rockfotografie geht es darum, wer auf dem Bild ist, und nicht, was du mit dem Foto machst. Jedes Bild von Bon Jovi ist Rockfotografie. Ich habe stets versucht, Fotos zu machen, die du aus ihrer Welt herausnehmen, woanders hinpacken und dann immer noch lieben kannst. Sie sind nicht abhängig von der Musikwelt. Es ist Porträtfotografie. Die Fotos sollen zu Menschen sprechen, selbst wenn sie die Person auf dem Foto nicht kennen. Das ist der Unterschied zu anderen, die Fotos von Musikern machen.
Ihre Karriere nahm Fahrt auf, als Sie Ende der Siebziger nach England gingen, wo auch Ihr berühmtes Foto von Joy Division entstand. Das Bild ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Musik in einem Foto lebt. Die Band war ein Grund, warum ich aus den Niederlanden nach England wollte, denn ihre Musik gefiel mir unheimlich gut. Obwohl ich damals noch total unbekannt war, konnte ich sie zu einem Shooting überreden. Ihr Album „Unknown Pleasures“war gerade erschienen und die Aufnahme sollte die Reise in dieses unbekannte Vergnügen widerspiegeln. Ian Curtis, der Sänger, dreht sich auf dem Bild in eine andere Richtung als seine Mitmusiker. Ein halbes Jahr später nahm er sich das Leben. Natürlich hatte ich damals keine Ahnung von seiner psychischen Verfassung. Aber die Idee, dass einer sich umsieht, während die anderen fortgehen, gab dem Bild im Nachhinein eine an- dere Bedeutung. Gerade deswegen wurde es ein sehr berühmtes Foto.
2007 haben Sie als Regisseur dann noch den Film „Control“über Joy Division umgesetzt. Wie wichtig war das für Sie?
Ich war besessen davon, diesen Film zu machen. Er hatte einen unglaublichen Einfluss auf mein Leben und das vieler anderer Leute. Es gibt kein Interview, in dem ich nicht darauf angesprochen werde. Vor ein paar Tagen zeigte ich an der Grenzkontrolle nach England meinen Ausweis und der Kontrolleur fragte mich: „Du bist nicht der Anton Corbijn von ,Control‘, oder? Der mit den Fotos?“Ich antwortete: „Ja, aber das ist lange her.“Und er meinte nur: „Großartig! Willkommen zurück!“Es ist verrückt zu sehen, wie das, was ich gemacht habe, ein Teil der englischen Kultur wurde.
Was würden Sie sagen, wenn eine Newcomer-Band Sie heute fragen würde, ob Sie sie fotografieren könnten?
Es wäre sehr unwahrscheinlich, dass ich Ja sage. Ich will mich selbst nicht wiederholen. Da gibt es nichts zu ler-
nen für mich. Und wenn du ein 18-jähriger Musiker bist und einen Fotografen fragst, der die 60 überschritten hat, läuft es wohl auch falsch. Als ich 18 war, war ich mit solchen Leuten befreundet, hing mit ihnen ab und machte Fotos. Aber heute habe ich andere Lieben. Ich verbringe meine Zeit lieber damit, Filme zu drehen. Gibt es da momentan ein Projekt? Ich bereite gerade einen Film vor. Er handelt von den Rassengesetzen Mitte des vergangenen Jahrhunderts im Süden der USA und basiert auf dem fantastischen Buch „Devil In The Grove“von Gilbert King, das den Pulitzer-Preis gewann. Außerdem habe ich im vergangenen Jahr einen Film über U2 gedreht, der hoffentlich 2019 ins Kino kommt. So ganz kann ich von der Musik doch nicht lassen.
➤ Freiluftkino Rathausmarkt: „Control“(3.8.), „The American“(5.8.), „A Most Wanted Man“(8.8.), „Life“(10.8.), jeweils 21.30 Uhr , Eintritt frei
➤ Ausstellung: Bis 6.1., Kunst-Forum