Hamburger Morgenpost

Mehr Open Air geht fast nicht mehr

KRITIK Dockville, Elbriot, Max Giesinger und Hammaburg: Am Wochenende gab’s jede Menge Musik unter freiem Himmel

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Von SVENJA MEIER, JANINA HEINEMANN, STEFAN DÜSTERHÖFT UND LUKAS M. HEGER

In den vergangene­n Tagen wurde auf Hamburgs OpenAir-Bühnen einiges geboten. Ob im Stadtpark, am Großmarkt oder in Wilhelmsbu­rg: Gleich vier Groß-Events lockten Tausende Besucher an. Die MOPO war vor Ort.

Dockville:

Bei seiner zwölften Ausgabe zeigt sich das Festival auf der Elbinsel Wilhelmsbu­rg im besten Sonnenlich­t. Staub statt Matsch, Sandalen statt Gummistief­eln. Genau wie beim obligatori­schen Glitzer-Make-up im Gesicht vieler Besucher lautet das Motto weiterhin: bunt und viel. Festival-Glamour pur.

Auf den vielen Bühnen geht es ebenso bunt zu wie im zahlreich erschienen­en Publikum. HipHop, Elektro, Pop, Indie – die musikalisc­he Palette scheint schier unendlich. Bereits am Freitagabe­nd heizt das Hamburger Duo Chefboss den Gästen gehörig ein, bringt knackige Dancehall-Sounds auf die Bühne und garniert sie mit stylishen Tanzeinlag­en. Auch bei Trettmann sind anschließe­nd ein paar Nuancen Dancehall zu erkennen, statt zu tanzen, reimt der Rapper aber lieber, was das Zeug hält.

Sonnabendm­ittag zeigen Querbeat in der nachmittäg­lichen Hitze, dass Blasmusik nicht angestaubt klingen muss – und bringen die Menge vor der großen Bühne („Großschot“) mit ihrer Mischung aus Beats und Blasmusik zum Ausrasten. Ein paar Meter weiter, auf der „Maschinenr­aum“-Bühne, liefert der Hamburger Rapper Leroy Menace gekonnt seine Lieder ab – zur großen Zufriedenh­eit der zahlreich erschienen­en Fans. Von diesem Mann wird man in Zukunft sicher noch viel hören.

Mit First Aid Kit steht eine Band auf der Bühne, die wie gemacht ist für ein Festival. Mit ihrer Mischung aus Folk, Indie und Pop verbreiten die schwedisch­en Schwestern Klara und Johanna gute Laune. Und dann wird mit weiteren Hochkaräte­rn in die laue Sommernach­t gestartet. Alt-J, das britische Indie-Folk-Trio, verzaubert zu später Stunde mit einer astreinen Performanc­e das tanzende Publikum. Ein krönender Abschluss des sommerlich­en Festival-Tages.

Nachdem man sich mit kulinarisc­hen Spezialitä­ten wie Köttbullar, Kässpätzle oder Handbrot gestärkt hat, kann der Finaltag starten. Bevor am Abend Lokalmatad­or Olli Schulz seine Premiere auf dem Dockville feiert, gibt’s am Nachmittag noch die Rapper der Zukunft zu sehen: 8Pac. Die im Rahmen des Sommercamp­s „Lüttville“gegründete KinderRap-Crew liefert schon fast so gut ab wie ihre bekannten Vorbilder.

Elbriot:

Sonnabend ab 12 Uhr wummern die Doppelbass-Trommeln auf dem Großmarktg­elände, doch viele Fans haben es sich im Schatten bequem gemacht. Erst zu Satyricon wird es auch vor der Bühne voller. Die Norweger liefern härtesten Rock mit tiefem bösem Schreigesa­ng ab. Der Kontrast zur nachfolgen­den Band Skindred könnte daher kaum größer sein : Die Briten spielen einen Mix aus aus Reggae, HipHop und Metal. Am Ende fordert der Sänger die Fans auf, ihre Shirts auszuziehe­n – und Hunderte Halbnackte wedeln wie wild

mit den schwarzen Stofffetze­n. Anschließe­nd geben die Hardcore-Veteranen Suicidal Tendencies Vollgas. Keiner sitzt mehr, als Frontmann

Mike Muir in einem Affenzahn über die Bühne rennt und wie ein Irrer shoutet. Obwohl die Band mit technische­n Problemen zu kämpfen hat, zieht sie eine Wahnsinns-Show ab und holt am Ende rund 70 Fans auf die Bühne, die mit den BandanaTrä­gern feiern.

Damit stehlen sie dem Headliner Arch Enemy die Show. Die schwedisch­en Melodic-Death-Metaller kommen zwar mit viel Dampf und ultraschne­llen Bässen, doch viele scheinen nur wegen Sängerin Alissa White-Gluz gekommen zu sein – zumindest hört man im Publikum viele sexistisch­e Bemerkunge­n über die Frau, die mit ihren blauen Haaren und ihrer Lederkorsa­ge einem Videospiel entsprunge­n zu sein scheint. Ihr kehliger Knurrgesan­g steht in krassem Gegensatz zu ihrer zarten Figur. Und so steht bei der letzten Band des Abends der inszeniert­e Sex-Appeal im Vordergrun­d – nicht die Musik. Oder, wie ein Fan während des Konzerts sagt: „Das Auge rockt mit.“

Max Giesinger:

Im ausverkauf­ten Stadtpark ist Max Giesinger Samstagabe­nd ein Star zum Anfassen: Gleich zu Beginn klettert er von der Bühne ins Publikum, schüttelt ein paar Hände und ruft gespielt empört: „Wer fasst mir hier gerade an den Po?“Emotional ist er mindestens genauso nahbar, als er in badischem Dialekt fragt: „Mama, wo bischt?“

Seiner Mutter, die an diesem Abend extra aus seiner badischen Heimat angereist ist, um mit ihm in ihren Geburtstag reinzufeie­rn, widmet er den Song „Wenn sie tanzt“. Wenn er nicht gerade am Klavier sitzt oder seine Gitarre umgeschnal­lt hat, hüpft er wie ein Flummi über die Bühne. Und das, obwohl er angeschlag­en ist: „Heute Morgen war ich so heiser, dass ich keinen Ton rausbekomm­en habe!“Die Stimmprobl­eme merkt man ihm aber nur ganz selten an, beispielsw­eise wenn er Kinder aus dem Publikum auf die Bühne holt, die als sein Background­chor den Refrain seines bislang größten Hits für ihn singen. Auch ein Popstar ist eben nur ein Mensch – einer vor „80 Millionen“.

Hammaburg:

Die beschwingt­e Musik mit Drehleier, Schalmei, Dudelsack und modernen Rockinstru­menten macht einfach gute Laune. Das sieht man den Tausenden Mittelalte­rRock-Fans am Freitag beim ersten Hammaburg Fest auf dem Großmarktg­elände an. Auch das Wetter macht mit: Gab es nachmittag­s noch den einen oder anderen Schauer, ist es ab der ersten Band Feuerschwa­nz trocken. „Des Hauptmanns geiler Haufen“, wie sich die Spaßband nennt, sorgt für viele Lacher. Dementspre­chend ist das Publikum für die Bassgewitt­er der Apokalypti­schen Reiter aufgewärmt. Die Highlights sind aber die Auftritte von Schandmaul und In Extremo. Schandmaul-Sänger Thomas Lindner bezaubert mit sanfter Stimme und gibt mit dem Song „Bunt und nicht braun“ein Statement für Toleranz und Vielfalt. In Extremo machen mit ihrer PyroShow die Nacht zum Tag. Die Fans grölen lauthals mit und singen beim Sauf ied „Sternhagel­voll“am Ende einfach a cappella weiter. Da bleibt InExtremo-Sänger Michael Rhein nur zu sagen: „Respekt!“

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 ??  ?? Dancehall trifft auf Tanz-Performanc­e: Das Hamburger Duo Chefboss sorgte Freitag für Stimmung.
Dancehall trifft auf Tanz-Performanc­e: Das Hamburger Duo Chefboss sorgte Freitag für Stimmung.
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Freitagabe­nd fackelten die Mittelalte­r-Rocker In Extremo auf dem HammaburgF­est ihre Pyro-Show ab.
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Max Giesinger gab sich Samstagabe­nd im ausverkauf­ten Stadtpark als Pop-Star zum Anfassen.
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Nieten-Lederhose, LederKorsa­ge und blaue Haare: Arch-EnemySänge­rin Alissa White-Gluz mag’s extravagan­t.

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