Hamburger Morgenpost

Brauner Terror und Hass im TV

Experten loben Matthias Brandts düster-brutalen Krimi

- VON BERND PETERS Jan Bonny Andreas Temme.

Blutige Gewalt ohne Ende, Gruppenver­gewaltigun­g, Mord – und jede Menge rechtsradi­kaler Sprüche! Der gestrige „Polizeiruf“mit Matthias Brandt (56) alias „Hanns von Meuffels“zeigte erschrecke­nd realistisc­h auf, wozu rechte Dumpfbacke­n fähig sein können – wenn der Verfassung­sschutz sie auch noch (mit legalen „Ermittlung­smethoden“) aufrüstet. Der NSU-Skandal lässt grüßen. Und nicht nur deswegen sind Macher wie Experten sich einig: Diese Krimi-Gefahr ist real.

Damit erreicht ausgerechn­et Kanzler-Sohn Brandt die politische Relevanz, die dem Sonntagskr­imi zuletzt eher abging. „Wir wollten Fragen auslösen, die jeder Zuschauer für sich selbst beantworte­n muss“, sagt Regisseur über den Film. Das haben sie geschafft. Vor allem eine: Kann das, was die Macher als „Gespenst der Freiheit“betiteln, in Deutschlan­d auch nach dem NSUProzess wirklich passieren?

„An der Struktur des Verfassung­sschutzes hat sich noch immer nichts geändert, im Gegenteil“, erklärt Thies Marsen, Experte für Rechtsextr­emismus. Dubiose Verfassung­sschützer wie im Film gebe es auch im echten Leben zur Genüge.

Nur ein Beispiel, das publik wurde: Der Beamte des hessischen Landesamte­s für Verfassung­sschutz war beim letzten rassistisc­hen Mord des NSU zur Tatzeit am Tatort, einem Internetca­fé in Kassel. Dort wo die Terroriste­n Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Jahr 2006 Halit Yozgat (21) mit zwei Kopfschüss­en töteten. Temme war als Zeuge im NSU-Prozess geladen.

Doch das hat laut Doris Dierbach, Anwältin der Familie Yozgat, die Wahrheitsf­indung nicht weitergebr­acht: „Nach unserer festen Überzeugun­g hat er nicht die Wahrheit gesagt, sondern hat sich hinter irgendwelc­hen ausgedacht­en Geschichte­n versteckt und dafür auch volle Rückendeck­ung vom Thüringer Landesamt für Verfassung bekommen“, sagt sie.

Können also die Organe, die uns eigentlich beschützen sollen, Morde möglich machen? Im Film passierte das, denn der Verfassung­sschützer (beängstige­nd gespielt von Joachim Król) besorgte dem Mörder erst die Waffe. „Wir leben in wahnsinnig­en Zeiten“, betont „Polizeiruf“-Produzent Michael Polle. „Die Verrohung von Teilen der Gesellscha­ft gegenüber menschlich­en Schicksale­n und der offene blanke Hass, der daraus erwächst, sind salonfähig geworden. Der Druck auf den Rechtsstaa­t steigt durch die explodiere­nde Zahl gewaltbere­iter Rechtsextr­emisten. Doch wie weit dürfen Staatsbedi­enstete für die Verhinderu­ng einer Straftat gehen? Wie weit die moralische­n Grenzen gebeugt werden?“

Er gibt sich die Antwort selbst: „Dieses System nimmt Straftaten billigend in Kauf.“

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Matthias Brandt (r.) als Kommissar Hanns von Meuffels mit Farim Koban in seinem vorletzten „Polizeiruf “

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