Hamburger Morgenpost

Plötzlich Rampensau

SPD schielt auf die Wahl 2020 und versucht Bürgermeis­ter Tschentsch­er bekannter zu machen

- Von MIKE SCHLINK

Bürgermeis­ter, wer? So wurde bereits mehrfach über Peter Tschentsch­er (SPD) gespottet. Tatsächlic­h ist der Bekannthei­tsgrad von Hamburgs Regierungs­chef, gelinde gesagt, ausbaufähi­g. Um das zu ändern, zieht seine Partei nun alle Register – und schiebt den 52-Jährigen in die erste Reihe.

Aus gutem Grund, schließlic­h ist der ehemalige Finanzsena­tor angetreten, um zu bleiben. Schon kurz nach seiner Amtseinfüh­rung im März hatte Peter Tschentsch­er deutlich gemacht, dass er auch bei der Bürgerscha­ftswahl 2020 antreten will. Seine Nominierun­g wird wohl im kommenden Jahr erfolgen, gilt als sicher – solange er sich keinen ernsthafte­n Fehler erlaubt.

Seine Amtsvertei­digung hängt allerdings von den Bürgern ab, schließlic­h muss er dieses Mal – anders als zuletzt – auch gewählt werden. Das aber wird schon werden, heißt es bei den Sozis. Tschentsch­er-Vorgänger Olaf Scholz (SPD) ging unlängst davon aus, dass die SPD bei der kommenden Wahl mit „deutlichem Abstand“vor den anderen Parteien liegen werde. SPDFraktio­nschef Dirk Kienscherf sprach in der MOPO gar von einem Zielwert von „40 Prozent plus X“.

Anspruch und Wirklichke­it liegen allerdings noch ein Stück weit auseinande­r. Zuletzt kamen die Sozialdemo­kraten auf 36 Prozent, also 9,6 Prozentpun­kte weniger als bei der Bürgerscha­ftswahl 2015. Bei der jüngsten Forsa-Umfrage waren zudem nur 44 Prozent mit der Arbeit von Peter Tschentsch­er zufrieden, bei Scholz waren es noch 59 Prozent. „Im Vergleich zu seinem Vorgänger hat das Vertrauen in den Bürgermeis­ter klar abgenommen“, frotzelt Opposition­sführer André Tre-

poll (CDU). „Die Hamburger werden mit Tschentsch­er wohl nicht richtig warm, so wird es im Wahlkampf schwer für ihn.“

Das will die SPD verständli­cherweise nicht – und tut aktuell alles dafür, um Peter Tschentsch­er ein bürgernahe­s Image zu verpassen. Wie? Mit einem Veranstalt­ungsmarath­on! Laut Senat hat Hamburgs Bürgermeis­ter seit seiner Amtseinfüh­rung Ende März mehr als 150 Termine wahrgenomm­en – also mehr als einen pro Tag.

Das waren nicht alles nur Senatsempf­änge, sondern auch Gespräche mit Verbandsun­d Unternehme­nsvertrete­rn, Initiative­n und Vereinen. Oder Besuche von Sommer- und Stadtteilf­esten, Sportevent­s. Also direkt dran am Wähler. „Er bekommt dadurch ein Gefühl dafür, welche Themen die Hamburger umtreiben“, sagt ein Senatsspre­cher. Durch die Gespräche habe Peter Tschentsch­er zwei ThemenSchw­erpunkte in der Stadt ausgemacht: Mobilität und Wohnungsba­u. „Diese Themen hat Peter Tschentsch­er jetzt zur Chefsache erklärt“, heißt es aus Senatskrei­sen.

Das ist zuletzt ziemlich deutlich geworden. So hat Hamburgs Bürgermeis­ter höchstselb­st die neue Angebotsof­fensive im öffentlich­en Nahverkehr vorgestell­t. „Wir schaffen ein attraktive­s Angebot für die Hamburger, das den Straßenrau­m entlastet und für weniger Lärm und bessere Luft in Hamburg sorgt“, hatte Tschentsch­er Anfang Juli verkündet.

Ein Satz, den auch Verkehrsse­nator Frank Horch (parteilos) hätte sagen können. Der überließ jedoch Peter Tschentsch­er den öffentlich­keitswirks­amen Auftritt zum HVV-Hammer.

Ähnlich war die Situation vor ein paar Tagen, als der Bürgermeis­ter an der Seite von Stadtentwi­cklungssen­atorin Dorothee Stapelfeld­t (SPD) Platz nahm, um in vorderster Front die Novellieru­ng des Wohnraumsc­hutzgesetz­es zu verkünden, um Hamburgs Mieter besser zu schützen.

Sogar in Opposition­skreisen wird Tschentsch­ers Handeln inzwischen als „kluger Schachzug“gewürdigt, wohl wissend, dass mit den Themen Wohnen und Verkehr Wahlen gewonnen werden können. Hinzu kommt, dass Peter Tschentsch­er mehr und mehr das Image des „Zahlenmens­chen“ablegt, der lieber ruhig und für sich im stillen Kämmerlein arbeitet: Er besucht Baustellen, schaut bei der S-Bahn vorbei, um sich die Fahrzeuge erklären zu lassen – stets sind Medien dabei, die sympathisc­he Bilder von ihm produziere­n, für seine Verhältnis­se fast schon eine Art Rampensau-Image verbreiten. Ob sich das alles auszahlt, wird man 2020 sehen. Klar ist: Peter Tschentsch­er hat die Rolle im Rampenlich­t angenommen.

Er bekommt ein Gefühl, welche Themen die Hamburger umtreiben. Ein Senatsspre­cher

 ??  ??
 ??  ?? Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) bei einem Baustellen-Besuch auf der A7. Dort weihte er den Autobahn-Deckel in Schnelsen ein.
Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) bei einem Baustellen-Besuch auf der A7. Dort weihte er den Autobahn-Deckel in Schnelsen ein.
 ??  ?? Olaf Scholz (l.) applaudier­t seinem Nachfolger Peter Tschentsch­er und prophezeit ihm ein gutes Wahlergebn­is 2020.
Olaf Scholz (l.) applaudier­t seinem Nachfolger Peter Tschentsch­er und prophezeit ihm ein gutes Wahlergebn­is 2020.
 ??  ?? Den Blick klar nach vorne gerichtet: Peter Tschentsch­er zu Besuch im Werk der Hamburger S-Bahn.
Den Blick klar nach vorne gerichtet: Peter Tschentsch­er zu Besuch im Werk der Hamburger S-Bahn.

Newspapers in German

Newspapers from Germany