Wo sind die Demokraten?
Aufmarsch von AfD und Pegida geplant. Rechte Foren veröffentlichen geleakten Haftbefehl
CHEMNITZ - Seit Sonntag dominieren rechte Chaoten die Bilder, die die Welt aus der sächsischen Stadt Chemnitz erreichen. Die Empörung über den gewaltsamen Tod eines Chemnitzers, mutmaßlich begangen von zwei arabischen Männern, hat zu pogrom-artigen Hasseruptionen geführt. Und viele fragen sich: Wo sind die Stimmen der Vernunft, wann meldet sich das demokratische Chemnitz?
Doch Rechtspopulisten diktieren weiter das Handeln: Für Sonnabend haben die AfDLandesvorsitzenden Jörn Urban (Sachsen), Björn Höcke (Thüringen) und Andreas Kalbitz (Brandenburg) zusammen mit Pegida zu einem „Schweigemarsch durch Chemnitz“aufgerufen. Man wolle „gemeinsam um Daniel H. und alle Toten der Zwangsmultikulturalisierung Deutschlands trauern“, heißt es. Und nicht wenige vermissen ein lautstarkes Bekenntnis der Chemnitzer zur Demokratie.
Wie durchsetzt Sachsens Polizei oder Justiz von rechten Sympathisanten sein muss, verdeutlicht dieser Vorfall: Auf einschlägigen rechten Portalen war einer der Haftbefehle gegen die mutmaßlichen Messerstecher von Chemnitz veröffentlicht worden. In dem teilweise geschwärzten Dokument wurden die Namen des Opfers, der Richterin und Einzelheiten zu den mutmaßlichen Tätern genannt. Zudem wird beschrieben, wie oft auf das Opfer eingestochen worden war. Das Papier wurde laut „tagesschau.de“unter anderem von der rechten Initiative „Pro Chemnitz“, einem AfD-Kreisverband sowie Pegida-Mitbegründer
Lutz Bachmann verbreitet. Ein „ungeheuerlicher Vorgang“, so Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig, die Staatsan
waltschaft Dresden ermittelt. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer nahm die Polizeiführung für ihr Vorgehen gegen Kritik in Schutz. „Die Polizei hat einen super Job gemacht“, sagte er „Bild“. „Die vielen Demonstranten unterschiedlicher Gruppen wurden auseinandergehalten. Straftaten wurden dokumentiert und werden jetzt rechtlich verfolgt.“
Offensichtlich hatte der Verfassungsschutz die sächsische Polizei vor einem organisierten Aufmarsch von Neonazis gewarnt und eine Zahl „im unteren bis mittleren vierstelligen Bereich“genannt. „Warum das in die Lageeinschätzung nicht ausreichend eingeflossen ist, entzieht sich unserer Kenntnis“, äußerte Verfassungsschutz-Sprecher Martin Döring.