Die Krise der Wochenmärkte
Angebot wird immer knapper.
Seit drei Generationen verkauft seine Familie auf Hamburgs Wochenmärkten das Gemüse, das sie auf ihrem Hof in Bergedorf anbaut. Salat, Tomaten, Kräuter, Zucchini, Kürbis. Wilfried Thal (60) wird vermutlich der Letzte in der Familie sein, der sein Geld auf diese Weise verdient. Ähnlich sieht es auch bei anderen Gemüsebauern aus. Die Folge: Hamburgs Wochenmärkte verändern ihr Gesicht.
An diesem Donnerstagvormittag ist nicht viel los auf dem Markt am Turmweg (Rotherbaum). Vor allem ältere Besucher sind hier unterwegs. Wilfried Thal steht in grüner Schürze vor seinem Gemüsestand. Er ist Präsident des „Verbandes des ambulanten Gewerbes und der Schausteller“und so etwas wie Hamburgs oberster Markthändler. Sein Problem: Die Obst- und Gemüseparadiese in den Stadtteilen werden kleiner und es kommen weniger Kunden.
Und das hat vor allem zwei Gründe. „Es wird immer weniger gekocht“, sagt Wilfried Thal. Kinder essen heute in Kita oder Schule, Erwachsene bei der Arbeit. Gekocht wird oft nur noch am Wochenende. Zudem haben sich die Kunden an die Öffnungszeiten in den Supermärkten gewöhnt, da kann ein Wochenmarkt nicht mithalten.
Zweites großes Problem: Immer mehr Erzeuger geben auf und finden keinen Nachfolger. Ähnlich wird es vermutlich auch in der Familie Thal eines Tages sein. „Es lohnt sich nicht mehr. Meine Kinder finden, dass sie ihr Geld auf einfachere Art verdienen können“, sagt er.
Als er in den 80er und 90er Jahren in den Betrieb einstieg, war die Arbeit hart, aber lukrativ. „Deshalb hat man über alle Mühen hinweggesehen. Jetzt ist die Arbeit nur noch hart“, sagt er. Er kann zehn Minuten lang runterrattern, welche Unmengen an Vorschriften er und seine Kollegen erfüllen müssen. Dokumentation des Anbaus, der verwendeten Spritzmittel, die Reinigung der Toiletten in seinem Betrieb und vieles, vieles mehr. „Das kann niemand mehr leisten und will sich keiner mehr antun“, sagt er.
Schlachter und vor allem Gemüsebauern sind in den vergangenen Jahren verschwunden. „Als ich anfing,
gab es am Turmweg sieben oder acht Gemüsestände. Jetzt gibt es nur noch halb so viele. Und die meisten verbleibenden haben Südfrüchte hinzugenommen, um über die Runden zu kommen“, sagt Wilfried Thal. Ähnliches lässt sich auf anderen Märkten beobachten, sagt er.
Wegen zunehmender Leerstände wurden einige Handelsplätze bereits geschlossen oder verkleinert. Der Markt in Mümmelmannsberg ist verschwunden. „Und der an der Gustav-Falke-Straße hat mittlerweile nur noch ein Zehntel seiner ursprünglichen Fläche“, sagt er. Auch auf dem beliebten Isemarkt gibt es Einbußen. „Das ist ein Touristen-Markt geworden. Touristen kaufen keinen Kohl oder ein Pfund Karbonade“, sagt er.
Wie geht es also weiter auf den Wochenmärkten? Einige der Lücken wurden durch Händler mit neuen Ideen geschlossen. Am Turmweg gibt es Stände mit Käse aus Büffelmilch, hausgemachten italienischen Würsten, DinkelCrêpes, vegetarischen Spezialitäten, handgemachter Pasta und vieles mehr. „Ich bin überzeugt, dass der Wochenmarkt eine Zukunft hat. Er wird sein Gesicht verändern, hin zu mehr Vielfalt“, sagt der Verbandschef.
Trotz aller Widrigkeiten liebt er, was er tut: „Selber Gemüse anzubauen und zu vermarkten, das ist doch toll. Ich habe den schönsten Beruf der Welt.“