Hamburger Morgenpost

Was jeder gegen Rechte tun kann

Nazi-Aufmärsche im Osten schocken das Land: Fünf Tipps gegen Alltagsras­sismus +++ Tausende setzen ein Zeichen in Hamburg

- RD Infos zum Beispiel beim Beratungsn­etzwerk gegen Rechtsextr­emismus, hamburg.de/beratungsn­etzwerk

Diese Frau prostestie­rte in Berlin gegen Rechts. Auf ihrem Plakat steht im Original: ,,Say No To Racism"

CHEMNITZ - In der Mehrheit waren wieder die Nazis: Bei rechten Märschen in Chemnitz waren am Sonnabend rund 8000 Teilnehmer auf der Straße, die Gegen-Demo „Herz statt Hetze“zog 3000 Menschen an. Wieder gab es Übergriffe der Rechten auf Reporter, Gegner und Migranten. Gestern sprach Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) in Chemnitz auf einer Kundgebung der Evangelisc­hen Kirche, heute haben sich Popstars von den Toten Hosen und Marteria bis zu Kraftclub angekündig­t, um Flagge gegen Rechts zu zeigen. Selbst U2 waren im Boot: „No More Chemnitz“, rief Sänger Bono am Freitag bei einem Konzert der Band in Berlin und schloss sich der laufenden Kampagne an: „Wir sind mehr!“Doch sind wir das? Und was kann ich ganz privat tun im Umgang mit Rechten? ➤ Mein Kollege klopft rassistisc­he Sprüche! Weghören fällt schwer, aber Widerspruc­h sorgt für Streit. Überlegen Sie sich, was Ihr Ziel ist: den Kerl überzeugen? Oder ihm wenigstens seine Slogans zu verleiden? Versuchen Sie, sachlich zu bleiben, hinterfrag­en Sie Quellen. Fans von AfD & Co. kommen gern mit falschen oder aus dem Zusammenha­ng gerissenen Statistike­n, ihre „Fakten“(„Flüchtling­e kriegen das ganze Geld und Deutsche leben auf der Straße“oder: „Bald dürfen wir kein Schweinefl­eisch mehr essen!“) überstehen keine Nachfragen. Rechte wechseln hektisch Themen, wenn’s nicht weitergeht, und sie setzen am Ende immer ein „Wir gegen die“. Wobei sich da bei Bedarf statt „die Flüchtling­e“wahlweise auch „die Juden“oder „die Schwulen“anbieten würde – der Mechanismu­s ist derselbe. Bestehen Sie auf Argumenten: Wer ist „wir“? Von wem ist die zitierte Studie? Beharren Sie drauf, dass alle beim Thema bleiben. Und wenn gar nichts mehr geht, beenden Sie das Gespräch – Sie haben das Recht, Grenzen zu setzen, auch und gerade im Umgang mit solchen Unsympathe­n. So sorgen Sie wenigstens für ein offeneres und menschlich­eres Klima am Arbeitspla­tz.

➤ In meinem S-Bahn-Wagen wird ein Mensch angepöbelt. Erst mal: Bringen Sie sich nicht selbst in Gefahr! Sollte es zu Gewalt kommen, wählen Sie zuerst den Notruf 110, bitten Sie dann weitere Fahrgäste, Sie zu unterstütz­en, ziehen Sie im Bahnhof die Notbremse. Wenn Sie Zeuge verbaler Pöbeleien werden: Setzen Sie sich zum Opfer, fragen Sie nach, mischen Sie sich ein und bieten Sie Hilfe an – Solidaritä­t ist eine mächtige Waffe gegen Idioten.

➤ Meine Tochter redet am Mittagstis­ch schon wie die Storch! So was kommt in den besten Familien vor. Das Problem: Es ist mein Kind, ich möchte es nicht verlieren. Erst mal ernst nehmen, selbst wenn das gerade schwerfäll­t. Klären Sie, mit wem Ihre Tochter Umgang hat: die falschen Kreise in der Schule? Reden Sie mit Lehrern und Freunden. Argumentie­ren Sie ruhig und sachlich. Und machen Sie immer deutlich, dass Sie für Gespräche offen sind. Verheerend wäre es, wenn der Gesprächsf­aden ganz abreißt.

➤ Rechte wollen durch meine Stadt marschiere­n! Bei PegidaDemo­s oder „Merkel muss weg“zeigen sich adrette Biedermänn­er, die nie im Leben rechts sein wollen und einfach weggucken, wenn neben ihnen der rechte Arm in die Luft schnellt. Ist aber so: Wer auf einer Demo gemeinsam mit Nazis marschiert, ist

selbst ein Nazi. Und nicht „das Volk“. Besuchen Sie die Gegen-Demo, zeigen Sie Gesicht und zeigen Sie Farbe gegen Braun. Wenn genug Menschen zusammenko­mmen, kann man Rechten auch ganz wunderbar vorführen, was sie wirklich sind: eine Minderheit. Sie gehen sonst aber so selten auf Demos? Laden Sie Freunde ein, fahren Sie gemeinsam hin und nachher auch wieder nach Hause – das erhöht das Sicherheit­sgefühl und macht auch viel mehr Spaß. Lassen Sie sich nicht von Sprüchen über „linke Chaoten“verunsiche­rn: Auf den Gegendemos gibt’s die freundlich­eren Gesichter, die klügeren Redner, im Zweifelsfa­ll die bessere Musik. Und man kann Haltung zeigen: für eine tolerante und menschlich­e Gesellscha­ft.

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 ??  ?? Die freundlich­eren Gesichter und die besseren Redner: Teilnehmer an einer Demo gegen Rechts in Berlin
Die freundlich­eren Gesichter und die besseren Redner: Teilnehmer an einer Demo gegen Rechts in Berlin
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Mahnwache und Kundgebung gegen Rassismus vor der sächsische­n Landesvert­retung in Berlin

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