Hamburger Morgenpost

Das ist alles eine Frage der Ängste

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Ich bin zu Besuch bei einem Infoabend für die Anwohner der Kollaustra­ße, wo ein Standort für das Winternotp­rogramm der Stadt Hamburg geplant ist. Es gibt dort eine Unterkunft für Geflüchtet­e, die leer steht. Die Aussicht, dass Obdachlose temporär in die Nachbarsch­aft ziehen, beunruhigt manche Menschen im Viertel.

Deshalb lud die Sozialbehö­rde in eine Schulaula. Zahlreiche Anwohner sind gekommen, Ehrenamtli­che aus verschiede­nen Organisati­onen, Straßensoz­ialarbeite­r der Diakonie und von „Hinz&Kunzt“. Es geht um einiges. 252 Menschen sollen im nächsten Winter ein warmes Bett bekommen.

Eine Stunde lang wird ausführlic­h erklärt, was das Winternotp­rogramm ist, wie es abläuft und was das für die Anwohner bedeutet. Eine Statistik zeigt: 300 Obdachlose, die im letzten Jahr das Angebot angenommen hatten, mussten nicht wieder zurück auf die Straßen.

Erste Frage aus dem Publikum. „Bekommen all diese Menschen also eine Wohnung?“, fragt ein Mann. Nein. Die meisten kommen in Wohnunterk­ünfte, von wo aus es dann weiter geht. Es geht gut voran, und das liegt vor allem an den Mitarbeite­rn vor Ort. Viele haben nun jahrelange Erfahrung.

Früher war das Winternotp­rogramm manchmal wirklich schrecklic­h. Als ich noch ein Bett im Container bezog, teilten sich acht Männer 14 Quadratmet­er.

Am geplanten Standort Kollaustra­ße ist eine DreiBett-Belegung angedacht. Ein echter Ausblick auf Ruhe. Was das bewirken kann, wenn man Menschen nicht nur vor dem Erfrieren schützt, sondern sie auch noch etwas erholen lässt in der Nacht! Ich bin mir sicher: Das kann nur positive Effekte haben.

Damals gab es noch keine Spinde. Ich habe meine Tasche unter meinen Kopf und den Taschengur­t um meinen Bauch gelegt. An meine Sachen kommt keiner ran. Heute kann man seine Sachen verstauen und abschließe­n.

Die nächste Frage aus dem Publikum. Eine Frau, deren Fenster genau neben dem Eingang zur Unterkunft liegt. Sie sagt, dass es oft laut war. Dass sie ein Baby hat und sich fragt, wie der Lautstärke­pegel dieser Menschen ist. Ihr macht auch Furcht, dass Alkohol und Drogen ins Spiel kommen.

Es sind Fragen, die so viele unserer Konflikte erklären: aus Angst. Die Diskussion geht weiter. Manche Sachen sind so banal, aber andere beschäftig­en sich eben damit. Zum Beispiel: Ist der Bus morgens dann voll? Wie sollen da zusätzlich­e Fahrgäste einsteigen? Ein Streit entbrennt, wie man Lokstedt richtig ausspricht.

Es war interessan­t zu sehen, wie Menschen mit unterschie­dlichen Interessen zusammenko­mmen. Fast alle waren sich einig: das Winternotp­rogramm ist wichtig und eine richtige Sache. An diesem Abend hat der Austausch meist gut geklappt.

Auf den Straßen von Hamburg

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