Wie gefährlich ist dieser Mann?
Thomas „Togger “Gardlo steckt hinter den „Merkel muss weg“-Demos in der City. Verfassungsschutz hält ihn für rechtsextrem.
Er gilt als neue Symbolfigur der rechten Szene in Hamburg: Thomas Gardlo, vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft, Türsteher-Legende, Kampfsporttrainer für die vom Verfassungsschutz ebenfalls als rechtsextrem geführte „Identitäre Bewegung“, einst Leibwächter von Ronald Schill und H. P. Baxxter. Wer ist der Mann, der sich „Togger“nennt und die jüngste „Merkel muss weg“Demo angemeldet hat?
Mit Thomas
Gardlo als Demo-Anmelder, so der Verfassungsschutz, sei „die Maske gefallen“. Waren zuvor immer bürgerliche Frauen als Anmelderinnen aufgetreten, seien die jetzigen Anmelder „den Sicherheitsbehörden hinlänglich bekannt“– etwa durch Mitgliedschaft in Neonazi-Facebookgruppen.
Gardlo war von Beginn an Teil der MMW-Bewegung, trat im Frühjahr aber zunächst im Hintergrund auf, nach eigenen Angaben „zuständig für Sicherheit, Technik, Auswahl der Redner“.
Das meiste, was öffentlich über den Muskel-Hünen bekannt ist, hat die Antifa zusammengetragen. „Togger“und sein Bruder Dushan sind demnach in ihrer Jugend im Umfeld der „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“(ANS) und später der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“(FAP) aktiv gewesen.
Dushan Gardlo war nach MOPO-Informationen in den 80er Jahren bei der „Savage Army“(SA), einer Gruppe rechtsextremer Skin-Punks. Als 2002 herauskam, dass der damalige Innensenator sich ausgerechnet von den Gardlo-Brüdern bewachen ließ, war das ein Skandal. „Richter Gnadenlos“hat Bodyguards aus der Neonazi-Szene. Wobei nicht bewiesen ist, dass Thomas Gardlo jemals formell Mitglied einer extremen Organisation war oder sich in der Hooligan-Szene bewegte.
Hamburger Partygänger kannten „Togger“damals bereits seit vielen Jahren als Türsteher vor so ziemlich jedem angesagten Club. „Voila“, „Madhouse“, „Tunnel“. Er gilt als harter Aussieber. Zwei Mal wurde er angeschossen, acht Mal mit Messern verletzt.
„Ganz sicher klebte Haut und Blut an jeder seiner Türen. Wurden Nasenbeine, Kniescheiben, Prothesen, Zähne und Knochensplitter von Kantsteinen gefegt“, heißt es in einem wohlwollenden Text der Bloggerin Conni Köpp über Thomas Gardlo. Und dass er sich als Patriot „ständig Gedanken um sein Land“mache, Bruderschaft und Kameradschaft schätze. Nebulös wie die meisten öffentlich zugänglichen Hinweise zu seiner Gesinnung.
Er ist keiner, der zum Mikro greift und die Menge einpeitscht – das machen andere. „Es ist Zeit, dass wir uns unser Land zurückholen. Aus Afrika kommt nur krimineller Abschaum“, polterte am Mittwoch jemand auf der „Merkel muss weg“-Demo. Es fallen Sätze mit Verweis auf die Bundeskanzlerin wie „Das Unheil ist ja in Hamburg geboren. Zeit, den Müll zu entsorgen.“Dazu gab’s auf einem Plakat die Drohung an die 10 000 Gegendemonstranten: „Ihr seid bald weniger.“
Und Thomas Gardlo? Er ist eher derjenige, der aufpasst, dass kein Gegendemonstrant zu nahe kommt. Auf Facebook hat er mal ein Foto von einem brennenden Merkel-Porträt geteilt.
2007 steht Gardlo wegen Körperverletzung vor Gericht: Bei der glamourösen Box-Gala zur 250. Veranstaltung von Promoter Klaus-Peter Kohl kam es vor dem Boxring zur Massenschlägerei. Vor laufenden Kameras hatten Gardlo als Security und zwei ebenfalls angeklagte Sicherheitsmänner den Box-Promoter Ahmet Öner und zwei seiner Männer vermöbelt. Gardlo bekam eine Bewährungsstrafe.
In einer Partei war Gardlo bisher nie. „Ich versichere euch, dass nicht eine einzige Person unseres Orga-Teams in einer problematischen Partei (NPD, DVU, Republikaner) und ähnlichen Kameradschaften und Gruppierungen jemals Mitglied oder organisiert war“, heißt es auf der Facebookseite der „,Merkel muss weg‘-Demo Hamburg“.
Das sieht der Verfassungsschutz anders. „Die maßgeblichen Anmelder und Organisatoren dieser Mittwochs-Versammlung sind Rechtsextremisten“, heißt es zu der „Merkel muss weg“-Demo.
Die MOPO sprach mit Gardlo über die Einschätzung des Verfassungsschutzes zu seiner Person. Auf seinen Wunsch zitieren wir nicht aus dem Gespräch.
Ganz sicher klebte Haut und Blut an jeder seiner Türen. Wurden (...) Knochensplitter von Kantsteinen gefegt. Bloggerin Conni Köpp über Gardlo
Hamburgs rechte Szene ist im Wandel, seit Jahren schon. Die so genannten Neuen Rechten haben längst alte NeonaziGruppierungen abgelöst – und das macht sich vor allem im Stadtbild bemerkbar.
Etwa im Bezirk Bergedorf. In den 80er und 90er Jahren waren rechte Gruppen hier besonders präsent, vor allem in Lohbrügge. Doch schon vor Jahren berichtete der Verfassungsschutz, dass die Gegend „keine Hochburg“der rechten Szene mehr sei. Funktionäre hätten sich zurückgezogen, um ihre bürgerliche Existenz nicht zu gefährden.
Inzwischen ist die neonazistische Kameradschaftsszene weitestgehend unsichtbar. Nur bei größeren Demos oder szeneinternen Veranstaltungen zeigen sich die Anhänger noch – darunter Gruppenmitglieder der „Sektion Nordland“, die auch aus dem Hooligan-Milieu gespeist wird und Kontakte zur NPD pflegt. „In Hamburg entfaltet die Gruppe bisher kaum Außenwirkung“, heißt es vom Verfassungsschutz. Die Zahl der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Personen hat derweil bis 2012 kontinuierlich abgenommen. Seit Jahren stagniert die Zahl bei etwa 320 Personen. Davon gehören rund 100 Mitglieder zur NPD, die in Hamburg nicht einmal eine Parteizentrale besitzt. Ungefähr 110 Personen gehören parteiunabhängigen oder parteiungebundenen Strukturen an. Dazu zählen unter anderem Mitglieder der Studentenverbindung „Burschenschaft Germania“, die in dem „Germanenhaus“an der Sierichstraße (Winterhude) beheimatet ist.
Die letzten 110 Personen zählen laut Verfassungsschutz zum „weitgehend unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzial“– dazu gehören die so genannten Reichsbürger. Die bestreiten, dass es die Bundesrepublik Deutschland gibt, und berufen sich häufig auf das „Deutsche Reich“von 1871 oder auch 1937. Reichsbürger organisieren sich eher an Stammtischen als auf der Straße und sind häufig im Netz unterwegs – genau wie die „Identitäre Bewegung“, das Zugpferd der „Neuen Rechten“.
Die versteht sich laut Verfassungsschutz als „heimatliebende Jugendbewegung“, ihre Ideologie sei der Ethnopluralismus. Heißt: Völker sollen ethnisch getrennt in ihren eigenen Territorien leben. In Hamburg machten sie vor zwei Jahren mit einer Burka-Aktion gegen Muslime mobil.
Insgesamt 140 der 320 Rechtsextremisten stuft der Verfassungsschutz als gewaltbereit ein. Von 2014 auf 2015 hatte sich die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten auf 500 verdoppelt – Hauptgrund war die Flüchtlingskrise. Inzwischen sinkt diese Zahl wieder, 2017 waren es noch 286 Straftaten – vor allem Propagandadelikte und Hetze im Netz. Die Anzahl der rechtsmotivierten Gewaltdelikte sank im vergangenen Jahr von 28 auf 15.