Hamburger Morgenpost

Wie gefährlich ist dieser Mann?

Thomas „Togger “Gardlo steckt hinter den „Merkel muss weg“-Demos in der City. Verfassung­sschutz hält ihn für rechtsextr­em.

- Von STEPHANIE LAMPRECHT

Er gilt als neue Symbolfigu­r der rechten Szene in Hamburg: Thomas Gardlo, vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­em eingestuft, Türsteher-Legende, Kampfsport­trainer für die vom Verfassung­sschutz ebenfalls als rechtsextr­em geführte „Identitäre Bewegung“, einst Leibwächte­r von Ronald Schill und H. P. Baxxter. Wer ist der Mann, der sich „Togger“nennt und die jüngste „Merkel muss weg“Demo angemeldet hat?

Mit Thomas

Gardlo als Demo-Anmelder, so der Verfassung­sschutz, sei „die Maske gefallen“. Waren zuvor immer bürgerlich­e Frauen als Anmelderin­nen aufgetrete­n, seien die jetzigen Anmelder „den Sicherheit­sbehörden hinlänglic­h bekannt“– etwa durch Mitgliedsc­haft in Neonazi-Facebookgr­uppen.

Gardlo war von Beginn an Teil der MMW-Bewegung, trat im Frühjahr aber zunächst im Hintergrun­d auf, nach eigenen Angaben „zuständig für Sicherheit, Technik, Auswahl der Redner“.

Das meiste, was öffentlich über den Muskel-Hünen bekannt ist, hat die Antifa zusammenge­tragen. „Togger“und sein Bruder Dushan sind demnach in ihrer Jugend im Umfeld der „Aktionsfro­nt Nationaler Sozialiste­n“(ANS) und später der „Freiheitli­chen Deutschen Arbeiterpa­rtei“(FAP) aktiv gewesen.

Dushan Gardlo war nach MOPO-Informatio­nen in den 80er Jahren bei der „Savage Army“(SA), einer Gruppe rechtsextr­emer Skin-Punks. Als 2002 herauskam, dass der damalige Innensenat­or sich ausgerechn­et von den Gardlo-Brüdern bewachen ließ, war das ein Skandal. „Richter Gnadenlos“hat Bodyguards aus der Neonazi-Szene. Wobei nicht bewiesen ist, dass Thomas Gardlo jemals formell Mitglied einer extremen Organisati­on war oder sich in der Hooligan-Szene bewegte.

Hamburger Partygänge­r kannten „Togger“damals bereits seit vielen Jahren als Türsteher vor so ziemlich jedem angesagten Club. „Voila“, „Madhouse“, „Tunnel“. Er gilt als harter Aussieber. Zwei Mal wurde er angeschoss­en, acht Mal mit Messern verletzt.

„Ganz sicher klebte Haut und Blut an jeder seiner Türen. Wurden Nasenbeine, Kniescheib­en, Prothesen, Zähne und Knochenspl­itter von Kantsteine­n gefegt“, heißt es in einem wohlwollen­den Text der Bloggerin Conni Köpp über Thomas Gardlo. Und dass er sich als Patriot „ständig Gedanken um sein Land“mache, Bruderscha­ft und Kameradsch­aft schätze. Nebulös wie die meisten öffentlich zugänglich­en Hinweise zu seiner Gesinnung.

Er ist keiner, der zum Mikro greift und die Menge einpeitsch­t – das machen andere. „Es ist Zeit, dass wir uns unser Land zurückhole­n. Aus Afrika kommt nur kriminelle­r Abschaum“, polterte am Mittwoch jemand auf der „Merkel muss weg“-Demo. Es fallen Sätze mit Verweis auf die Bundeskanz­lerin wie „Das Unheil ist ja in Hamburg geboren. Zeit, den Müll zu entsorgen.“Dazu gab’s auf einem Plakat die Drohung an die 10 000 Gegendemon­stranten: „Ihr seid bald weniger.“

Und Thomas Gardlo? Er ist eher derjenige, der aufpasst, dass kein Gegendemon­strant zu nahe kommt. Auf Facebook hat er mal ein Foto von einem brennenden Merkel-Porträt geteilt.

2007 steht Gardlo wegen Körperverl­etzung vor Gericht: Bei der glamouröse­n Box-Gala zur 250. Veranstalt­ung von Promoter Klaus-Peter Kohl kam es vor dem Boxring zur Massenschl­ägerei. Vor laufenden Kameras hatten Gardlo als Security und zwei ebenfalls angeklagte Sicherheit­smänner den Box-Promoter Ahmet Öner und zwei seiner Männer vermöbelt. Gardlo bekam eine Bewährungs­strafe.

In einer Partei war Gardlo bisher nie. „Ich versichere euch, dass nicht eine einzige Person unseres Orga-Teams in einer problemati­schen Partei (NPD, DVU, Republikan­er) und ähnlichen Kameradsch­aften und Gruppierun­gen jemals Mitglied oder organisier­t war“, heißt es auf der Facebookse­ite der „,Merkel muss weg‘-Demo Hamburg“.

Das sieht der Verfassung­sschutz anders. „Die maßgeblich­en Anmelder und Organisato­ren dieser Mittwochs-Versammlun­g sind Rechtsextr­emisten“, heißt es zu der „Merkel muss weg“-Demo.

Die MOPO sprach mit Gardlo über die Einschätzu­ng des Verfassung­sschutzes zu seiner Person. Auf seinen Wunsch zitieren wir nicht aus dem Gespräch.

Ganz sicher klebte Haut und Blut an jeder seiner Türen. Wurden (...) Knochenspl­itter von Kantsteine­n gefegt. Bloggerin Conni Köpp über Gardlo

Hamburgs rechte Szene ist im Wandel, seit Jahren schon. Die so genannten Neuen Rechten haben längst alte NeonaziGru­ppierungen abgelöst – und das macht sich vor allem im Stadtbild bemerkbar.

Etwa im Bezirk Bergedorf. In den 80er und 90er Jahren waren rechte Gruppen hier besonders präsent, vor allem in Lohbrügge. Doch schon vor Jahren berichtete der Verfassung­sschutz, dass die Gegend „keine Hochburg“der rechten Szene mehr sei. Funktionär­e hätten sich zurückgezo­gen, um ihre bürgerlich­e Existenz nicht zu gefährden.

Inzwischen ist die neonazisti­sche Kameradsch­aftsszene weitestgeh­end unsichtbar. Nur bei größeren Demos oder szeneinter­nen Veranstalt­ungen zeigen sich die Anhänger noch – darunter Gruppenmit­glieder der „Sektion Nordland“, die auch aus dem Hooligan-Milieu gespeist wird und Kontakte zur NPD pflegt. „In Hamburg entfaltet die Gruppe bisher kaum Außenwirku­ng“, heißt es vom Verfassung­sschutz. Die Zahl der vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­em eingestuft­en Personen hat derweil bis 2012 kontinuier­lich abgenommen. Seit Jahren stagniert die Zahl bei etwa 320 Personen. Davon gehören rund 100 Mitglieder zur NPD, die in Hamburg nicht einmal eine Parteizent­rale besitzt. Ungefähr 110 Personen gehören parteiunab­hängigen oder parteiunge­bundenen Strukturen an. Dazu zählen unter anderem Mitglieder der Studentenv­erbindung „Burschensc­haft Germania“, die in dem „Germanenha­us“an der Sierichstr­aße (Winterhude) beheimatet ist.

Die letzten 110 Personen zählen laut Verfassung­sschutz zum „weitgehend unstruktur­ierten rechtsextr­emistische­n Personenpo­tenzial“– dazu gehören die so genannten Reichsbürg­er. Die bestreiten, dass es die Bundesrepu­blik Deutschlan­d gibt, und berufen sich häufig auf das „Deutsche Reich“von 1871 oder auch 1937. Reichsbürg­er organisier­en sich eher an Stammtisch­en als auf der Straße und sind häufig im Netz unterwegs – genau wie die „Identitäre Bewegung“, das Zugpferd der „Neuen Rechten“.

Die versteht sich laut Verfassung­sschutz als „heimatlieb­ende Jugendbewe­gung“, ihre Ideologie sei der Ethnoplura­lismus. Heißt: Völker sollen ethnisch getrennt in ihren eigenen Territorie­n leben. In Hamburg machten sie vor zwei Jahren mit einer Burka-Aktion gegen Muslime mobil.

Insgesamt 140 der 320 Rechtsextr­emisten stuft der Verfassung­sschutz als gewaltbere­it ein. Von 2014 auf 2015 hatte sich die Zahl der rechtsextr­emistische­n Straftaten auf 500 verdoppelt – Hauptgrund war die Flüchtling­skrise. Inzwischen sinkt diese Zahl wieder, 2017 waren es noch 286 Straftaten – vor allem Propaganda­delikte und Hetze im Netz. Die Anzahl der rechtsmoti­vierten Gewaltdeli­kte sank im vergangene­n Jahr von 28 auf 15.

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 ??  ?? 178 „besorgte Bürger“waren laut Polizei am vergangene­n Mittwoch zu der Kundgebung auf dem Gänsemarkt erschienen. Rund 10 000 Menschen demonstrie­rten parallel gegen Fremdenhas­s und für Vielfalt.
178 „besorgte Bürger“waren laut Polizei am vergangene­n Mittwoch zu der Kundgebung auf dem Gänsemarkt erschienen. Rund 10 000 Menschen demonstrie­rten parallel gegen Fremdenhas­s und für Vielfalt.
 ??  ?? Thomas „Togger“Gardlo bei einer Anti-MerkelDemo im Frühjahr dieses Jahres. Damals galt er schon als einer der wichtigen Leute hinter den Kulissen, war aber nicht Anmelder.
Thomas „Togger“Gardlo bei einer Anti-MerkelDemo im Frühjahr dieses Jahres. Damals galt er schon als einer der wichtigen Leute hinter den Kulissen, war aber nicht Anmelder.
 ??  ?? Auch die AfD war vor Ort: Der gebürtige Hamburger Dennis Augustin ist einer der Landesspre­cher in Mecklenbur­gVorpommer­n.
Auch die AfD war vor Ort: Der gebürtige Hamburger Dennis Augustin ist einer der Landesspre­cher in Mecklenbur­gVorpommer­n.
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 ??  ?? Eine Gruppe „Identitäre­r“in Hamburg. Viele der „Neuen Rechten“sind jung und nutzen die neuen Medien, um im Internet ihr Gedankengu­t zu verbreiten.
Eine Gruppe „Identitäre­r“in Hamburg. Viele der „Neuen Rechten“sind jung und nutzen die neuen Medien, um im Internet ihr Gedankengu­t zu verbreiten.
 ??  ?? Einen der größten Neonazi-Aufmärsche in Hamburg gab es 2008 in Barmbek. Er endete in Chaos und Gewalt.
Einen der größten Neonazi-Aufmärsche in Hamburg gab es 2008 in Barmbek. Er endete in Chaos und Gewalt.

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