Auch wenn es anstrengend ist: Gegenhalten!
Wer sich aus Diskussionen mit rechten Hetzern in den sozialen Medien heraushält, setzt unsere Demokratie aufs Spiel – meint der Leiter der Gruppe #ichbinhier. Er will motivieren, mit Argumenten gegenzusteuern
„Kugel in den Kopf und Ruhe ist!“Facebook ist wahnsinnig anstrengend. In den Kommentaren wird gepöbelt, provoziert und ausgelacht. Viele verlieren da die Lust zu lesen oder gar selber zu kommentieren. Aber es ist notwendiger als jemals zuvor! Menschen anderer Religionen, Hautfarben oder Sexualität werden herabgewürdigt. Es gibt Folter- und Gewaltfantasien. Der Rechtsstaat und die Pressefreiheit werden ganz offen angezweifelt. Wir haben es mit einem Angriff auf unsere demokratischen Grundwerte zu tun. Dem muss man etwas entgegensetzen. Die mittlerweile 42 000 Mitglieder der Facebook-Gruppe #ichbinhier stellen sich den Herabwürdigungen, Ausgrenzungen, Anfeindungen und Befürwortungen von Gewalt mit ihren Kommentaren unter reichweitenstarken Medien (mehr als 100 000 Follower) entgegen. Der Hamburger Hannes Ley gründete die Gruppe, weil ein Freund von ihm Opfer eines Shitstorms inkl. Morddrohungen wurde – und er die digitale Zivilgesellschaft aktivieren wollte.
Gruppen wie „Reconquista Germanica“und andere wollen auf YouTube, Twitter und Facebook dem Rechtsstaat, der Pressefreiheit und dem Schutz von Minderheiten schaden. Ihr Ziel ist ganz klar, und sie machen nicht mal ein Geheimnis daraus: Sie wollen die Gesellschaft spalten. Dabei sind sie sehr gut vernetzt. Mit koordinierten Aktionen gaukeln sie eine Mehrheit in den Kommentarspalten vor. Und sie schaffen es, Halbwahrheiten, Lügen und verdrehte Statistiken in die breite Öffentlichkeit zu tragen.
Es ist sehr leicht, über soziale Netzwerke viele Menschen zu erreichen, Informationen zu streuen, Zwietracht und Zweifel zu säen. Die Währung bei Facebook ist die Anzahl der Likes. Wer viele Likes hat, dem gehört die Aufmerksamkeit. Kann es so möglich werden, eine gesellschaftliche Einigkeit darüber
vorzutäuschen, dass Menschen anderer Herkunft, anderen Glaubens oder anderer Hautfarbe bis zur Entmenschlichung herabgewürdigt werden können? Eine Studie vom ichbinhier e.V. zeigt: Bei herabwürdigenden Kommentaren kommen von nur fünf Prozent der Accounts die Hälfte aller Likes! Ist das nicht eine große Gefahr für unsere Demokratie?
Was kann man als Einzelner dagegen machen? Auch wenn es anstrengend ist: Gegenrede trägt dazu bei, dass der Mitleser nicht kopfschüttelnd resigniert und Facebook abschaltet.
Auch #ichbinhier führt koordinierte Aktionen durch. Aber als übergeordnetes Ziel könnte man den Schutz des Grundgesetzes formulieren. Klingt hochtrabend? Nein! Verschiedene Rechtsextreme, aber auch Politiker der AfD kommunizieren ganz offen, dass sie unser System abschaffen wollen.
Es ist in der Online-Welt genauso wichtig wie in der Offline-Welt, der Herabwürdigung eines Menschen oder einer Gruppe etwas entgegenzusetzen und Flagge zu zeigen. Denn man darf eines nicht vergessen: Wenn sich Menschen bestätigt fühlen, dann fühlen sie sich auch dazu befähigt, etwas zu unternehmen. Worte werden zu Taten. Und wie schnell sich eine Gruppe von Menschen hochschaukeln kann, wenn ihr nicht widersprochen wird, hat wohl jeder schon erlebt.
Ähnliches kann auch eine Gegenrede-Bewegung wie #ichbinhier erreichen. Die Menschen fassen den Mut, sich an Diskussionen zu beteiligen. Irgendwer springt immer zur Seite und hilft. Es gilt, immer wieder nachzufragen. Warum? Wer? Wo genau? Wann genau? Damit kann man den Mitleser animieren, selbst zu recherchieren, den aufgekommenen Fragen nachzugehen, Widersprüche, Lügen, Halbwahrheiten aufzudecken.
Barack Obama formuliert es so: „Die größte Bedrohung für unsere Demokratie ist die Gleichgültigkeit!“