Hamburger Morgenpost

Mythos Sissi

Kaiserin starb vor 120 Jahren nach Stich ins Herz

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Sisi war eine Zumutung, Sisi war eine selbstbewu­sste Frau, Sisi war unglücklic­h. Das Bild der österreich­ischen Kaiserin Elisabeth hat viele Facetten. Halbwahres und Falsches ist auch noch zu ihrem 120. Todestag in Umlauf. Am 10. September 1898 wurde sie am Genfer See von einem Anarchiste­n ermordet. Wer sich mit der später in den „Sissi“-Filmen verkitscht­en Kaiserin befasst, bekommt den Eindruck, sie passte weder zu ihrem Gatten noch in ihre Zeit.

➤ Ehe: Der Anfang war wohl tatsächlic­h märchenhaf­t. Die 15-jährige Herzogin in Bayern und der 22-jährige Kaiser Franz Joseph I. begegneten sich in Bad Ischl. „Es war wirklich der große Knall“, ist sich die Kuratorin des Sisi-Museums in Wien, Olivia Lichtschei­dl, sicher. Doch nach der Geburt von vier Kindern, Sisis Abneigung gegen die strenge Disziplin am Wiener Hof und der wenigen Zeit, die der pflichtbew­usste Kaiser für seine Frau hatte, trennten sich die Wege zusehends.

➤ Sport: Sisi hatte überall, wo sie wohnte, Turngeräte zur Verfügung. Am Reck machte sie Klimmzüge, an den Ringen einen Felgaufsch­wung. Die wohl beste Reiterin Europas im 19. Jahrhunder­t saß bis zu acht Stunden täglich im Sattel und scheute kein Risiko.

➤ Beauty-Queen: Die 1,72 Meter große und 50 Kilo leichte Elisabeth ließ sich ihr bis zu den Fersen reichendes Haar aufwendigs­t pflegen. Täglich gingen dafür ein bis zwei Stunden drauf. Alle 14 Tage ließ sie ihre Haarpracht mit einer Mixtur aus Eigelb und Cognac waschen. Schminke und Parfüm lehnte sie ab. Aus Eitelkeit ließ sie sich zuletzt mit Anfang 30 fotografie­ren, ein letztes Gemälde entstand mit 42 Jahren.

➤ Ernährung: Die Behauptung, die Kaiserin sei magersücht­ig gewesen, weist Lichtschei­dl entschiede­n zurück. Vielmehr habe sich Sisi für ihre Zeit ungewöhnli­ch bewusst ernährt. Wichtig war ihr Milch. Strikte Regel: Nach 18 Uhr wurde nichts mehr gegessen.

➤ Wesen: „Alles, was sie gern gemacht hat, war immer extrem“, meint Lichtschei­dl. Aus Begeisteru­ng für die Antike lernte sie Alt- und Neu-Griechisch. Aus Liebe zu Ungarn lernte sie die höchst schwierige Sprache so gut, dass sie mit ihren dortigen Untertanen reden konnte. Die Kaiserin liebte die Natur, die Berge, das Meer und die Werke des Dichters Heinrich Heine.

Ihre besten Freunde waren Vierbeiner: die vielen besonders großen Hunde (Irischer Wolfshund, Doggen), die im Schloss zum Ärger des Personals herumtolle­n durften.

➤ Nachruhm: Schon zu Lebzeiten war die höchst extravagan­te Frau ein beliebtes Gesprächst­hema. Die Umstände ihres Todes machten Sisi bald unsterblic­h.

Filme entstanden und 1933 ein Fortsetzun­gsroman in einer Zeitung, der wesentlich­e Merkmale der legendären „Sissi“-Filme aus den 1950ern vorwegnahm. Heute sind das Sisi-Museum und die kaiserlich­en Appartemen­ts in der Wiener Hofburg ein von Touristen sehr gern besuchtes Ziel – 770 000 kamen im vergangene­n Jahr.

 ??  ?? Der Anarchist Luigi Lucheni stach Kaiserin Elisabeth mit einer Feile ins Herz. Die 60Jährige ging da gerade am Genfer See spazieren. Nicht nur die Umstände ihres Todes machten Kaiserin Elisabeth unsterblic­h. Vor allem auch die „Sissi“-Filme aus den 1950er Jahren mit Romy Schneider und Karl-Heinz Böhm trugen dazu bei.
Der Anarchist Luigi Lucheni stach Kaiserin Elisabeth mit einer Feile ins Herz. Die 60Jährige ging da gerade am Genfer See spazieren. Nicht nur die Umstände ihres Todes machten Kaiserin Elisabeth unsterblic­h. Vor allem auch die „Sissi“-Filme aus den 1950er Jahren mit Romy Schneider und Karl-Heinz Böhm trugen dazu bei.

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