„Ich halte jetzt jede Sauerei für möglich“
Jan Josef Liefers erklärt seine Verwandlung in Gustl Mollath
Von BERND PETERS
Graue Haare, grauer Schnurrbart, tiefe Falten und Furchen im Gesicht. Kaum zu glauben: Dieser vom Leben gezeichnete Opa ist tatsächlich Jan Josef Liefers (54), den meisten bekannt als „Professor Boerne“im Münsteraner „Tatort“. Vom gelackten Besserwisser im Maßanzug ist aber in seiner neuen Rolle nichts mehr übrig.
Als Gustl Mollath (61) im ZDF-Film „Gefangen“(heute, 20.15 Uhr) hätten wir Jan Josef Liefers kaum erkannt. Da hat die Maske ganze Arbeit geleistet. Und nicht nur die! Die MOPO sah den Film vorab: Liefers spielt in der Realverfilmung des Schicksals eines Mannes, der von seiner eigenen Frau nach der Scheidung für geisteskrank erklärt und in der Psychiatrie weggesperrt wird (MOPO berichtete), ganz groß auf. Die emotional hochgradig aufgeladene Rolle des Mannes, der jahrelang bekannt und Gegenstand öffentlicher Berichterstattung war, nimmt man ihm jederzeit ab. „Mir ging es nicht um eine Kopie vom Gustl, sondern um seine Charakterzüge“, erklärt Liefers im Interview. „Seine Prinzipienfestigkeit, dass er nicht vor der Obrigkeit kuscht, seine Sturheit und Verschmitztheit, die ich an ihm beobachtet habe.“Das gelingt ihm erstaunlich gut – denn er traf Mollath, der im Film aus juristischen Gründen „Wastl Kronach“heißt, nie persönlich.
Aber Liefers hat offenbar ein Faible für den Fall. „Dadurch hat sich einiges verändert“, erklärt er anerkennend. „Gesetze wurden angepasst, es soll grundsätzlich verhindert werden, dass jemand dauerhaft in Anstalten verschwinden kann, ohne dass die Voraussetzungen dafür gegeben wären.“Er hofft jetzt seinen Teil dazu beizutragen, dass das mahnende Beispiel am Leben erhalten wird. „Man kann immer etwas verändern, nicht alleine, aber mit Verbündeten. Verändern wird ein Film alleine nichts, aber er kann Menschen berühren, aufrütteln und vielleicht zusammenbringen in dem Wunsch, etwas, das falsch läuft, zu verbessern.“
Der Schauspieler zog selbst auch Lehren aus dem Film bzw. der Beschäftigung mit Mollath, betont er. „Lehre Nummer eins: Habe immer ein paar treue Freunde! Hätte es die in Gustls Leben nicht gegeben, die unermüdlich gegen das Vergessen ankämpften und schließlich siegten, säße unser Gustl noch heute in der Geschlossenen. Und ja, nichts ist so überzeugend, wie das eigene Beispiel. Vor der eigenen Haustür kann man einiges bewirken. Und wenn sich die Verhältnisse ändern sollen, müssen sich erst die Menschen ändern. Protest kommt bei mir auf, wenn jemand die Zeit zurückdrehen will.“
Glaubt Liefers nach solch einem Fall noch an Gerechtigkeit? „In einem abstrakten Sinne ja. Aber die Aufgabe der Justiz ist nicht, Gerechtigkeit herzustellen, sondern die Einhaltung der Gesetze zu sichern. Gerechtigkeit ist ein unscharfer Begriff, jeder versteht darunter etwas anderes. Und es wäre fatal, wenn ein Richter sich bei seinem Urteilsspruch eher am Gerechtigkeitsempfinden seines Stammtischs im Wirtshaus orientiert als am Gesetz. Der Fall Mollath ist auch deshalb ein Skandal geworden, weil er das Selbstverständnis der bayerischen Justiz als höchst anfällig erscheinen ließ.“
Sein Fazit: „Ich halte inzwischen jede Sauerei, und sei sie noch so monströs, für denkbar. Man kann die Menschheit beim besten Willen nicht als Krönung der Schöpfung akzeptieren, das wäre zu deprimierend. Ich befürchte, dass der Zustand der Welt Ergebnis von Planlosigkeit, zu kurzen Gedanken, unvernünftigen Machtverteilungen und Gier ist.“