Hamburger Morgenpost

Auf den Straßen von Hamburg

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Es wird immer mehr zum Trend, andere Menschen zu beleidigen, selbst nach ihrem Tod. Depression­en, Mobbing, tolerierte Quälerei führt Menschen in den Abgrund. Das Internet ist kein anstandsfr­eier Raum. Auch hier hat jeder Mensch seine Würde.

Ich erinnere mich an ein Mädchen. Sie war wunderschö­n. Wir sind in eine Klasse gegangen. Ich war mal bei ihr Zuhause. Sie hat geweint und ich habe sie in den Arm genommen. Wir waren noch fast Kinder, nur sie nicht mehr so. Sie wurde abhängig. Sie hat alles gemacht, um an Drogen zu kommen. Bald stand sie auf dem Strich. Sie durfte kein Kind mehr sein.

Wir gingen auf eine große Schule. Der „Buschfunk“hat auf dem Pausenhof immer funktionie­rt. Sie war oft das Thema. Auf jedem Klo konnte man lesen, was man von ihr hielt. Es stand mit Edding geschriebe­n an der Wand. Sie hatte wohl keine Kraft mehr, von

Ein Pulk stand drumherum, hat mitgelacht, obwohl das vielen bestimmt ein unwohles Gefühl gegeben hat. Das stachelt die wenigen wieder so an, dass sie immer weitermach­en. Der Rest hält sich ganz raus oder berichtet dem Lehrer. Das kommt mir heute noch sehr bekannt vor. Er war der Loser, der ausgelacht worden ist. Erst fing er an sich zu ritzen, manchmal mit der Schere oder dem Bleistift aus seiner Federtasch­e. Ein paar Jahre später hat er sich auf die Gleise gelegt.

Ich habe nach Selbstmord­methoden gegoogelt. Springen oder Tabletten. Ich bin in verschiede­nen Suizidfore­n gelandet. Selbst da stehen die schlimmste­n Kommentare. Selbst dort gehen die Beschimpfu­ngen weiter. Ich habe mich gefragt, wie böse Menschen sein können.

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