Hamburger Morgenpost

Die Überlebens­kämpfer

Digitale Konkurrenz sorgt für Flaute. Fuhlsbütte­ler Verleih boomt trotzdem

- PHILIPP SIMON philipp.simon@mopo.de

Sie ist eine der Letzten ihrer Art: die Videothek „Video Rent“in Fuhlsbütte­l. Seit 1983 können sich hier Filmenthus­iasten durch mehr als 14 000 Streifen und Spiele wühlen. Und im Gegensatz zur sterbenden Konkurrenz floriert das Geschäft am Ratsmühlen­damm prächtig. Was ist das Geheimnis der Überlebens­kämpfer?

Netflix, Amazon Prime Video oder Maxdome – das Angebot an Streamingp­ortalen wächst rasant. Bequem auf dem Sofa sitzen, durch die Filmpalett­e scrollen und einen Streifen auswählen – genau diese Vorteile machen klassische­n Videotheke­n das Leben schwer.

Die Zahl der ausleihfre­udigen Kunden geht drastisch zurück. Das zeigt auch eine Erhebung des Interessen­verbands des Videound Medienfach­handels (Düsseldorf ). Während im Jahr 2015 noch 68 Millionen sogenannte Vermietvor­gänge in Videotheke­n stattfande­n, sank die Nachfrage im vergangene­n Jahr auf nur noch 31 Millionen ab.

Dieser Herausford­erung mussten sich auch die Eigentümer von „Video Rent“in Fuhlsbütte­l stellen. „Der

Wandel im Verleihges­chäft ist auch für uns bemerkbar“, sagt Rainer Pöhlig.

Der 49-Jährige gründete die Videothek gemeinsam mit seiner Mutter. Um das Fortbesteh­en des Betriebs zu sichern, musste der Filmjunkie gemeinsam mit seinen Mitgesells­chafterinn­en Vivien Salgado (36) und Jacqueline Elze (48) kreativ werden. „2012 haben wir unser Angebot erweitert. Seither sind wir nicht mehr nur eine Videothek, sondern auch Partner der Deutschen Post“, sagt Salgado stolz. Nicht nur Filmempfeh­lungen gehören seither zum Servicepor­tfolio, sondern eben auch Briefe, Pakete und Einschreib­en. Zusätzlich werden frisches Popcorn, kleine Snacks, Eis und gekühlte Getränke angeboten. Breit aufstellen für den Kampf gegen die digitale Konkurrenz.

„Unsere Videothek wurde an die neuen Bedürfniss­e unserer Kunden angepasst“, sagt Gesellscha­fterin Elze. Täglich kommen bis zu 160 Kunden in das kleine Geschäft in Fuhlsbütte­l. Teilweise geht es dort zu wie im Taubenschl­ag. An der Kasse bilden sich Schlangen – hauptsächl­ich wegen der Post.

Der Schachzug mit dem Schalter hat sich gelohnt. Die „Postfilial­e“hat an 365 Tagen im Jahr geöffnet und lockt potenziell­e Leih-Kunden an, die eigentlich nur einen Brief abgeben wollten. „Wir haben aber auch sehr viele Stammkunde­n“, sagt Pöhlig: „Man kennt sich, plaudert auch über Privates.“Elze pflichtet ihm nickend bei, sagt: „An manchen Tagen sind wir fast so eine Art Seelsorger. Da ist es nicht unüblich, dass wir auch mal einen Kunden in den Arm nehmen und eine Tasse Kaffee gemeinsam trinken.“

Von einer solchen Kundenbezi­ehung kann Michael Timmermann nur träumen. Seine Rahlstedte­r Videothek „Video Taxi Media Store“muss schließen. „Es kommen nach wie vor Kunden, aber insgesamt leider nicht mehr genug, um den Laden am Laufen zu halten“, sagt er. Er macht gerade Ausverkauf – und am 29. September ist endgültig Schluss.

An manchen Tagen sind wir fast so eine Art Seelsorger für unsere Kunden. Jacqueline Elze

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... Chef Michael Timmermann sah keine Zukunf mehr für seinen Laden.
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Auch Pornos gehören zum klassische­n Angebot einer Videothek.
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In Rahlstedt muss der beliebte „Video Taxi Media Store“schließen, ...
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