Die Überlebenskämpfer
Digitale Konkurrenz sorgt für Flaute. Fuhlsbütteler Verleih boomt trotzdem
Sie ist eine der Letzten ihrer Art: die Videothek „Video Rent“in Fuhlsbüttel. Seit 1983 können sich hier Filmenthusiasten durch mehr als 14 000 Streifen und Spiele wühlen. Und im Gegensatz zur sterbenden Konkurrenz floriert das Geschäft am Ratsmühlendamm prächtig. Was ist das Geheimnis der Überlebenskämpfer?
Netflix, Amazon Prime Video oder Maxdome – das Angebot an Streamingportalen wächst rasant. Bequem auf dem Sofa sitzen, durch die Filmpalette scrollen und einen Streifen auswählen – genau diese Vorteile machen klassischen Videotheken das Leben schwer.
Die Zahl der ausleihfreudigen Kunden geht drastisch zurück. Das zeigt auch eine Erhebung des Interessenverbands des Videound Medienfachhandels (Düsseldorf ). Während im Jahr 2015 noch 68 Millionen sogenannte Vermietvorgänge in Videotheken stattfanden, sank die Nachfrage im vergangenen Jahr auf nur noch 31 Millionen ab.
Dieser Herausforderung mussten sich auch die Eigentümer von „Video Rent“in Fuhlsbüttel stellen. „Der
Wandel im Verleihgeschäft ist auch für uns bemerkbar“, sagt Rainer Pöhlig.
Der 49-Jährige gründete die Videothek gemeinsam mit seiner Mutter. Um das Fortbestehen des Betriebs zu sichern, musste der Filmjunkie gemeinsam mit seinen Mitgesellschafterinnen Vivien Salgado (36) und Jacqueline Elze (48) kreativ werden. „2012 haben wir unser Angebot erweitert. Seither sind wir nicht mehr nur eine Videothek, sondern auch Partner der Deutschen Post“, sagt Salgado stolz. Nicht nur Filmempfehlungen gehören seither zum Serviceportfolio, sondern eben auch Briefe, Pakete und Einschreiben. Zusätzlich werden frisches Popcorn, kleine Snacks, Eis und gekühlte Getränke angeboten. Breit aufstellen für den Kampf gegen die digitale Konkurrenz.
„Unsere Videothek wurde an die neuen Bedürfnisse unserer Kunden angepasst“, sagt Gesellschafterin Elze. Täglich kommen bis zu 160 Kunden in das kleine Geschäft in Fuhlsbüttel. Teilweise geht es dort zu wie im Taubenschlag. An der Kasse bilden sich Schlangen – hauptsächlich wegen der Post.
Der Schachzug mit dem Schalter hat sich gelohnt. Die „Postfiliale“hat an 365 Tagen im Jahr geöffnet und lockt potenzielle Leih-Kunden an, die eigentlich nur einen Brief abgeben wollten. „Wir haben aber auch sehr viele Stammkunden“, sagt Pöhlig: „Man kennt sich, plaudert auch über Privates.“Elze pflichtet ihm nickend bei, sagt: „An manchen Tagen sind wir fast so eine Art Seelsorger. Da ist es nicht unüblich, dass wir auch mal einen Kunden in den Arm nehmen und eine Tasse Kaffee gemeinsam trinken.“
Von einer solchen Kundenbeziehung kann Michael Timmermann nur träumen. Seine Rahlstedter Videothek „Video Taxi Media Store“muss schließen. „Es kommen nach wie vor Kunden, aber insgesamt leider nicht mehr genug, um den Laden am Laufen zu halten“, sagt er. Er macht gerade Ausverkauf – und am 29. September ist endgültig Schluss.
An manchen Tagen sind wir fast so eine Art Seelsorger für unsere Kunden. Jacqueline Elze