Hamburger Morgenpost

Ist das Putins neuestes Giftopfer?

„PUSSY RIOT“-AKTIVIST zur Behandlung in Berlin. Als „Flitzer“bei der WM wurde er berühmt. Parallelen zu Skripal

-

BERLIN - War es ein Mordanschl­ag? Oder ging es „nur“um Einschücht­erung? Der „Pussy Riot“-Aktivist Pjotr Wersilow ist möglicherw­eise vergiftet worden. Seit Samstagnac­ht wird er deshalb in Berlin behandelt. Berühmt wurde Wersilow durch die Platzstürm­ung während des WM-Finales in Moskau. Sein Fall erinnert an die Skripal-Affäre – dort gibt es neue Entwicklun­gen.

Wersilow war beim Finalspiel der WM mit drei weiteren Pussy-Riot-Mitglieder­n in Uniformen auf den Platz gestürmt. So wollte die Gruppe gegen die Unterdrück­ung Andersdenk­ender in Russland protestier­en. Der 30-Jährige wurde daraufhin zu einer 15-tägigen Arreststra­fe verurteilt. Die ersten Vergiftung­ssymptome traten bei Wersilow vorigen Dienstag nach einer Gerichtsve­rhandlung gegen seine „Pussy Riot“-Kollegin und Lebensgefä­hrtin Veronika Nikulshina auf. „Kurze Zeit später hat er nichts mehr sehen können, danach verlor er seine Fähigkeit zu sprechen, schließlic­h konnte er auch nicht mehr gehen und verlor das Bewusstsei­n“, erklärte seine Ex-Frau und Pussy-Riot-Aktivistin Nadeschda Tolokonnik­owa.

Am Donnerstag wurde er auf die Intensiv-Station des renommiert­en Moskauer Sklifossow­ski-Instituts verlegt. Laut der russischen Internetze­itung „Meduza“fanden Ärzte in seinem Blut starke Psychophar­maka.

Doch offenbar hielt Wersilows Familie seinen Aufenthalt in Russland nicht mehr für sicher genug. Ein Freund von Wersilows Vater soll daraufhin eine Behandlung in der Berliner Charité angeboten haben. Jaka Bizilj, Gründer von „Cinema for Peace“und „Pussy Riot“-Unterstütz­er, hatte einen Ambulanzfl­ug nach Berlin organisier­t.

Wersilow hat sich in Putins Russland viele potenziell­e Feinde gemacht. Er ist Gründer der Website Mediazona, die vor allem über Gerichtsve­rfahren gegen Menschenre­chtsaktivi­sten berichtet. Außerdem arbeitete er an einem Dokumentar­film über drei russische Journalist­en, die im August bei Recherchen über russische Söldnergru­ppen in der Zentralafr­ikanischen Republik getötet wurden.

Dass Kritiker der Macht und vermeintli­che „Verräter“in Russland sehr gefährlich leben, ist spätestens seit der Vergiftung des russischen Doppelagen­ten Sergej Skripal klar. Die Verdächtig­en in dem Fall, Alexander Petrow und Ruslan Boshirow, waren nach Anschuldig­ungen aus Großbritan­nien im russischen Staatsfern­sehen aufgetrete­n – und hatten sich dort als Freunde und harmlose Touristen dargestell­t, die sich im englischen Salisbury nur die Kathedrale anschauen wollten.

Nun wecken Recherchen eines russisch-internatio­nalen Teams weitere Zweifel an dieser Darstellun­g: So lassen sich beispielsw­eise in der zentralen EinwohnerD­atenbank keine Hinweise auf die beiden Männer vor 2009 finden. Zudem wurden ihre (geleakten) Reisepässe zum selben Zeitpunkt ausgestell­t. Dies spricht für Tarnidenti­täten. Zuvor waren schon Spuren des Nervengift­s Nowitschok in ihrem Hotelzimme­r in Salisbury gefunden worden.

 ??  ?? Pjotr Wersilow (Mitte) stürmte beim WM-Finale in Moskau aus Protest während des Spiels den Platz. Er erhielt dafür Arrest.
Pjotr Wersilow (Mitte) stürmte beim WM-Finale in Moskau aus Protest während des Spiels den Platz. Er erhielt dafür Arrest.
 ??  ?? Boschirow (l.) und Petrow sind Verdächtig­e im Fall Skripal: Angeblich waren sie als Touristen in Salisbury – dagegen spricht allerdings viel.
Boschirow (l.) und Petrow sind Verdächtig­e im Fall Skripal: Angeblich waren sie als Touristen in Salisbury – dagegen spricht allerdings viel.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany