Hamburger Morgenpost

„Ich im Kino? Der blanke Horror

Piano-Entertaine­r Chilly Gonzales macht ab Donnerstag auch die Leinwand unsicher

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Ab Donnerstag gibt es den Grammy-gekrönten PianoEnter­tainer Chilly Gonzales (46) auch im Kino! Im Rahmen des Reeperbahn Festivals wird die Film-Dokumentat­ion „Shut Up And Play The Piano“im Abaton gezeigt – die Premiere am Donnerstag findet unter Anwesenhei­t des Regisseurs Philipp Jedicke statt. Parallel dazu veröffentl­icht Gonzales, der eigentlich Jason Beck heißt, sein neues Album „Solo Piano III“, auf dem er tatsächlic­h schweigt. Die MOPO hat mit dem kanadische­n Wahl-Kölner gesprochen.

MOPO: Mr. Beck, bringt es Ihnen Spaß, sich im Kino zu sehen? Chilly Gonzales: Machen Sie Witze? Nein! Wer sieht schon gerne Bilder von sich selbst? Den Film anzuschaue­n ist wie eine Horror-Show für mich!

Cornelius Meister, der Chefdirige­nt des Radio-Symphonieo­rchesters Wien, sagt darin, dass er gar nicht wisse, ob Sie an einer Musikhochs­chule die Aufnahmepr­üfung für Klavier bestehen würden. Verletzt Sie das?

Aus seiner Perspektiv­e hat er wohl recht. Ich habe nie so getan, als sei ich ein guter klassische­r Pianist. Ich bin ein Jazz-Pianist mit eigenem Stil. Und ja, ich hatte so meine Probleme mit ihm. Interessan­terweise sind es eher die älteren Klassik-Dirigenten, die mich respektier­en. Aber ich habe den Film jetzt drei Mal gesehen, und jedes Mal lachen sich die Leute schlapp an der Stelle. Der Zweck heiligt also die Mittel. In einer gespielten Szene, in der Sie einen Doppelgäng­er für sich suchen, sagen Sie: „In einer besseren Welt könnte ich ein ganz normaler Musiker sein.“Spricht da die Sehnsucht aus Ihnen?

Die überlebens­große, Cartoon-artige Bühnenfigu­r Chilly Gonzales ist eine übertriebe­ne Version von mir und den Fantasien, die ich auslebe. Sie schützt mich und mein Privatlebe­n. Aber manchmal frage ich mich schon, was anders gewesen wäre, wenn ich mein Debüt als Jason Beck veröffentl­icht hätte. Ich träume davon, wie dieses andere Leben ausgesehen hätte. Aber ich bedaure den Künstlerna­men nicht – vielleicht hätte es mir sonst weniger Spaß gemacht.

Es geht im Film auch um das ambivalent­e Verhältnis zu Ihrem Bruder Christophe Beck, der als Hollywood-Komponist finanziell noch erfolgreic­her musiziert als Sie.

Wenn du der Jüngste der Familie bist, ist es Fluch und Segen zugleich, sich gegen deine Geschwiste­r abzugrenze­n. Ich habe mich für den kompromiss­losen, provokativ­en Künstler mit großem Mundwerk entschiede­n. Ich genieße mehr Freiheiten als mein Bruder.

„Shut Up And Play The Piano“trifft auch auf Ihr neues Album „Solo Piano III“vor: Sie lassen darauf die Musik sprechen.

Seit ich nach Köln umgezogen bin, gesünder lebe und auch ein Privatlebe­n habe, habe ich nicht mehr das Bedürfnis, mit Worten um mich zu schmeißen. Das kann sich ändern, ist jetzt aber schon sieben Jahre so.

Bei der Siegerehru­ng nach dem Finale der Fußball-Europameis­terschaft in Frankreich war ein Klavierstü­ck von Ihnen zu hören. Ist es seltsam für Sie, in diesem Kontext gefeatured zu werden?

Es ist gut, dass meine Musik als Soundtrack für emotionale Momente taugt. Dass Wladimir Putin mein Stück gehört hat, ist allerdings schon ein bisschen gruselig. Viele haben das Lied gehört, aber wissen nicht, dass es Chilly Gonzales ist. Ich habe immer gewollt, dass meine Musik berühmter ist als ich. Ich möchte nur so berühmt sein, dass ich in der Lage bin,

weiter Musik zu machen. Nachdem Sie vor einem Jahr in der Elbphilhar­monie gespielt haben, sind Sie im Dezember in der Laeiszhall­e zu Gast. Warum der Wechsel? Das ist der Tatsache geschuldet, dass die Leute in der Laeiszhall­e sehr viel bereiter sind, Spaß zu haben, als in der Elbphilhar­monie. Ich bin nicht so ein Nerd bezüglich der Akustik oder wie der Spielort aussieht. Meine Priorität ist immer der Spaßfaktor. Es ist also eher eine psychologi­sche Sache und kein Diss gegenüber der Elbphilhar­monie.

DAS INTERVIEW FÜHRTE KATJA SCHWEMMERS

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„Ich habe nie so getan, als sei ich ein guter klassische­r Pianist“: Chilly Gonzales macht sein ganz eigenes Ding.
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