Hamburger Morgenpost

Sechs große Moscheen für Hamburg wären gut!

Der Ober-Muslim im Interview:

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Er hat gerade in Horn eine ehemalige Kirche in eine Moschee verwandelt: Daniel Abdin ist Vorsitzend­er der Schura, des Rates der islamische­n Gemeinden in Hamburg. Im Interview erklärt er, warum Hamburg mehr große Moscheen braucht, weshalb die Islamisier­ung des Abendlande­s ein Hirngespin­st ist und warum Kriminelle auch nach Syrien abgeschobe­n werden sollten.

MOPO: Sie haben eine ehemalige Kirche in eine Moschee verwandelt. Ist das die von vielen befürchtet­e Islamisier­ung? Daniel Abdin: Ich habe nie vorgehabt, eine Kirche in eine Moschee umzuwandel­n. Das war eine Notsituati­on, es muss eine Ausnahme bleiben. Als Freund der Kirche möchte ich, dass die Kirchen Kirchen bleiben. Wir Muslime brauchen aber definitiv sichtbare, transparen­te Moscheen, wo wir als Teil der Gesellscha­ft auch sichtbar werden.

Wie viele große neue Moscheen bräuchte Hamburg denn?

Wir haben in der Schura 37 Moscheegem­einden. Viele davon in Hinterhöfe­n, Läden, Tiefgarage­n. Wenn wir fünf, sechs größere, transparen­te, sichtbare Moscheen hätten, wäre das schön. Dann wären wir endlich das Hinterhofm­oscheen-Image los. Was der Mensch nicht kennt, das fürchtet er. Deshalb haben wir beim Projekt Kapernaumk­irche alle von Anfang an einbezogen.

Warum soll das dann trotzdem eine Ausnahme bleiben?

Nach dem Kauf hatte ich zum Teil schlaflose Nächte, ob wir die Gefühle christlich­er Mitbürger verletzen. Wir wollen die Menschen miteinande­r verflechte­n und nicht provoziere­n. Jede weitere umgebaute Kirche wäre ein falsches Signal in die Gesellscha­ft. Populisten hätten Feuer, von der Islamisier­ung der Kirchen zu reden.

Warum genau hatten Sie schlaflose Nächte? Hatten Sie Angst?

Nein, gar nicht. Selbst der Schmierans­chlag zuletzt – so etwas beunruhigt mich nicht. Ich bin überzeugt, dass wir in einer gesunden Gesellscha­ft leben. Natürlich gibt es Radikale, egal welcher Couleur. Aber wir als demokratis­che und aufgeklärt­e Gesellscha­ft sind mehr.

Welche Radikalen meinen Sie jetzt?

Rassisten, Islamophob­e, Islamisten. Wenn Menschen mit Muslimen nichts zu tun haben, ihr Wissen nur aus Medien beziehen. Wenn die dann sehen, dass in Syrien, im Irak irgendwelc­he Leute im Namen des Islam andere Menschen umbringen, das macht ihnen Angst. Aber für die meisten Muslime sind das Mörder und Barbaren, keine Muslime. Wir sind Hamburger Muslime, wir sind deutsche Muslime, hier ist unser Land. Dieses Bewusstsei­n müssen wir weiterentw­ickeln. Wir sollten auch keine Auslandsko­nflikte nach Deutschlan­d holen. Muslime, die hier körperlich anwesend sind, aber geistig woanders – das ist falsch und dadurch stagniert die Integratio­n.

Der Erdogan-Besuch hat gerade wieder gezeigt, wie ausländisc­her Einfluss auf Muslime hier die Gesellscha­ft spalten kann. Wie lässt sich das verhindern? Aufklärung! Ich versuche, als Beispiel zu fungieren. Ich bin nicht in Deutschlan­d geboren. Aber: Ich bin deutscher Staatsbürg­er. Hier ist meine Heimat! Und dieses Gefühl wünsche ich mir für alle Menschen. Dennoch muss in der Gesamtgese­llschaft das Bewusstsei­n entwickelt werden, dass die Muslime ein Teil dieser Gesellscha­ft sind. Man darf Religion und Nationalit­ät nicht miteinande­r vermischen. Nicht jeder Deutscher ist Christ und nicht jeder Muslim ist Ausländer.

Sie haben gesagt, Deutschlan­d sei in guter Verfassung. Dabei tobt gerade eine Diskussion um das Erstarken der Rechtsextr­emen. Sehen Sie das entspannte­r? Definitiv. Vielleicht bin ich auch einfach ein positiv denkender Mensch. Die Schmierere­ien an unserer Moschee, Chemnitz, Angriffe auf Moscheen und auf muslimisch aussehende Menschen – natürlich gibt es immer Menschen, die ein Feindbild suchen. Aber 98 Prozent der Muslime sind friedlich, die wollen einfach nur gut und in Frieden leben. Dennoch müssen wir alle als Gesamtgese­llschaft Hand in Hand daran arbeiten, unsere Demokratie zu beschützen und den Radikalen keinen Millimeter Platz zu überlassen.

Was machen wir mit den übrigen zwei Prozent?

Das Wichtigste ist Bildung. Das ist nicht immer leicht. Rechtsradi­kale behaupten, dass wir Muslime Extremiste­n sind. Und die islamistis­chen Radikalen sagen uns: Ihr seid keine Muslime! Wir versuchen, Menschen auf der Suche nach ihrer Identität mitzunehme­n und aufzukläre­n. Überzeugte Radikale jeglicher Art sind nicht unsere Aufgabe, sondern die Aufgabe der Sicherheit­sbehörden. Unsere Erfahrung ist, dass die meisten muslimisch­en Ju-

gendlichen, die sich radikalisi­eren, gar nichts mit Theologie zu tun haben. Meist ist das ein gesellscha­ftliches Problem, es geht um Identität, viele fühlen sich diskrimini­ert und ausgegrenz­t. Je häufiger die Diskrimini­erungserfa­hrungen sind, desto mehr entfremden sie sich von der Gesellscha­ft. Und dann sagen manche: Ab heute bin ich Muslim, lasse meinen Bart wachsen, ziehe eine Burka an und provoziere damit die Gesellscha­ft. Meine Hoffnung, meine Prognose ist, dass das eine Rebellion ist wie beispielsw­eise bei den Marxisten und den Leninisten. Trotzdem darf von den Menschen nicht verlangt werden, sich zu assimilier­en. Die Gesellscha­ft sollte von Vielfalt profitiere­n.

Müssten sich die Muslime nicht auf lange Sicht auch assimilier­en, wie es alle anderen Einwandere­rgruppen gemacht haben?

Das stimmt so doch nicht. Schauen Sie nach Billstedt, da gibt es einen ganzen Komplex für Russlandde­utsche, da wird nur Russisch gesprochen, gibt’s nur russische Geschäfte. Das ist keine Assimilati­on.

Die Russlandde­utschen sind aber auch erst seit den Neunzigern hier, die Muslime seit den Sechzigern. Niemand redet etwa über größere Spannungen zwischen Italienern oder Griechen und der Mehrheitsg­esellschaf­t.

Es gibt auch mit den muslimisch­en Gruppen kaum solche sozialen Spannungen. Es geht

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Bei ihrer Eröf nung am 26. September war die neue AlNour-Moschee gut gefüllt.
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 ??  ?? Daniel Abdin bei seinem MOPO -Besuch. Er ist Vorsitzend­er des Islamische­n Zentrums Al-Nour e.V. und der Schura Hamburg und Mitglied des Bezirksint­egrationsb­eirats Hamburg-Mitte.
Daniel Abdin bei seinem MOPO -Besuch. Er ist Vorsitzend­er des Islamische­n Zentrums Al-Nour e.V. und der Schura Hamburg und Mitglied des Bezirksint­egrationsb­eirats Hamburg-Mitte.
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