Ein schrecklich schöner Sieg
WAHNSINN Erst richtig stark, dann total schwach, am Ende eiskalt und überglücklich
Das Buch der irren Millerntor-Momente ist um ein Kapitel reicher. Mit einem Doppelschlag in den letzten Minuten hat der FC St. Pauli eine über weite Strecken desolate Leistung kaschiert und sich mit zehn Punkten aus den letzten vier Spielen auf Tabellenplatz fünf vorgeschoben, nur einen Zähler hinter Rang zwei. Das 3:1 (1:0) gegen Kellerklub Sandhausen war ein schrecklich schöner Sieg.
Schön, weil der eingewechselte Sami Allagui mit seinem Tor in der 90. Minute die Weichen auf Sieg gestellt und Christopher Buchtmann mit seinem Treffer vier Minuten später und unmittelbar vor dem Abpfiff endgültig den Sack mit den drei Punkten zugeschnürt hatte. Schön, weil die Chancen genutzt wurden. Schön, weil die leidgeprüften Fans beschenkt wurden, besser gesagt: entschädigt.
Schrecklich, weil die Kiezkicker nach starken und sehenswerten ersten 20 Minuten und der verdienten Führung durch Dimitrios Diamantakos (17.) den Faden nicht nur verloren, sondern wegwarfen. „Ich checke es noch nicht so ganz“, gab Trainer Markus Kauczinski zu. „Wir haben das Spiel komplett aus der Hand gegeben.“Kapitän Johannes Flum urteilte: „Wir haben aufgehört, Fußball zu spielen.“
Schrecklich, weil die Braun-Weißen auch nach der Halbzeitpause gegen lange Zeit erschütternd harmlose Gäste eine indiskutabel schwache Leistung boten, ideenlos, mutlos, planlos und phasenweise lethargisch auftraten, worüber nicht nur die Fans, sondern auch die Gastgeber selbst erschrocken schienen. St. Pauli baute Sandhausen auf, bekam mit dem 1:1 durch Kevin Behrens die verdiente Quit-
tung und konnte froh sein, dass der SVS seine weiteren Chancen nicht nutzte.
„Wir hätten das Spiel auch verlieren können. Das muss man ganz klar so sagen“, so Flum. Über die Art und Weise des Auftritts und die Frage, warum die Führung die Mannschaft nicht beflügelt hat, wird in den nächsten Tagen zu reden sein. „Wir müssen lernen, dass durchzuziehen“, stellte Coach Kauczinski hinterher klar.
Die spielerische Leistung stimmt trotz aller Beteuerungen und Ankündigungen im Vorfeld der Partie nach wie vor nicht.
Die Punktausbeute der Kiezkicker aus den letzten vier Spielen ist dagegen hervorragend.
„Zehn von zwölf Punkten sind eine starke Bilanz“, sagte Kauczinski. Nach dem Wie, so Torhüter Robin Himmelmann, „fragt in den nächsten Wochen keiner mehr“. Allerdings, das weiß St. Paulis Nummer eins, werden Leistungen wie gegen Sandhausen oder auch Paderborn „auf lange Sicht“nicht reichen, um oben mitzumischen. Dafür bedarf es einer Menge Verbesserungen im Angriffsspiel.
„Wir sind froh, dass wir durchatmen können“, freute sich Kauczinski über die Länderspielpause, die ihm und seinem Team die Gelegenheit bietet, intensiv am eigenen Spiel zu arbeiten. Es gibt viel zu tun.