„Chor des Hasses“: Hetz-Post raubt Politikern den Atem
Ursula von der Leyen, Heiko Maas & Co. erschüttert über Wut-Mails
Sicherheitschecks am Sonntagabend auf Kampnagel: Große Taschen und weite Jacken werden ausgemustert. Drinnen muss sich das Publikum übelste Beleidigungen anhören. Doch die gehen nicht an die Adresse der Zuschauer – sondern ins E-Mail-Postfach von vier Politikern. Es ist ein „Chor des Hasses“, der da ertönt.
Ursula von der Leyen wird als „Nazif *tze“und „Kriegstreiberhure“tituliert, Cem Özdemir mit „Kümmeltürke“und „Sodomist“beschimpft, Heiko Maas wird „kleiner Goebbels“und „Maasmännchen“genannt, und Andreas Hollstein – f üchtlingsfreundlicher Bürgermeister aus Altena – droht man sogar, „den Kopf wegzuschießen“(eine Messerattacke hatte er 2017 schon erlebt).
Vier Schauspieler – Iris Berben, Claudia Michelsen, Dietmar Bär und Robert Stadlober – lesen einen Querschnitt der brutalsten Textnachrichten vor, deren Spektrum von Vergewaltigungsfantasien bis Morddrohungen reicht, sogar gegen die Kinder der Adressaten. Viele Absender verstecken sich in der Anonymität des Internets, doch einige zeichnen ihre Absonderungen auch mit vollem Namen. „Die werden strafrechtlich verfolgt“, so Özdemir.
Ursula von der Leyen konstatiert: „Diese Verrohung der Sprache ist neu. Das lässt einem schon den Atem stocken.“Nach der schwer verdaulichen Lesung – und nach einem Schnaps von Moderator Giovanni di Lorenzo – überlegen die Politiker gemeinsam: Woher kommt bloß dieser „Chor des Hasses“? So auch der Titel der Veranstaltung, die der „Zeit“-Chefredakteur und Nikolaus Besch, Intendant des „Hamburger Theaterfestivals“, an diesem Abend vorstellten.
Brutal, abartig und krank sind diese Hass-E-Mails, und alle wissen: Auf verletzende Worte folgen körperliche Angriffe. Das Dilemma: Freie Meinungsäußerung ist per Gesetz zugesichert, doch kollidiert sie im Fall derartiger Verbalattacken mit der Verletzung der Würde des Menschen wie im Grundgesetz verankert. Nicht weniger als unsere Demokratie stehe auf dem Spiel, so das Fazit. „Öffentlich den Mund aufmachen gegen Hetzreden“, rät Heiko Maas. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde auf Kampnagel getan.
➤ Aufzeichnung im TV: 14.10., 11.30 Uhr, NDR