Hamburger Morgenpost

Planetariu­m wirft Rollstuhlf­ahrer raus

Nico (24) will Show in einem normalen Sitz erleben – und darf das nicht wegen „Brandschut­zbestimmun­gen“

- MIKE SCHLINK mike.schlink@mopo.de

Nico Schnittger (24) hatte sich so auf den kleinen, grünen Drachen gefreut. Gemeinsam mit seinen Eltern wollte der schwerbehi­nderte junge Mann die „Tabaluga“-Show im Planetariu­m schauen – wie jeder andere Bürger auch. Kurz vor der Vorstellun­g wurde der Rollstuhl-Fahrer jedoch aus dem Saal geworfen!

So schilderte es Vater Arnold Schnittger (66) auf Facebook – und löst damit eine Welle der Empörung aus. Bis gestern Abend wurde sein Beitrag 1500 Mal kommentier­t, mehr als 4000 Mal geteilt. „Damit habe ich nicht gerechnet“, sagt er. Das gilt auch für den Vorfall im Planetariu­m.

Nicos Eltern hatten für die „Tabaluga“-Vorstellun­g drei Erwachsene­nkarten gekauft, um ihrem Sohn den Komfort mit den zurückklap­pbaren Sesseln zu ermögliche­n. Dort darf er jedoch nicht sitzen. „Ein Mitarbeite­r hat uns gesagt, dass Nico aus Brandschut­zgründen in seinem eigenen Rollstuhl die Vorstellun­g verfolgen muss“, so Arnold Schnittger.

Der lässt sich allerdings nicht nach hinten neigen – und damit konnte Nico die Projektion an der Kuppeldeck­e nicht wie alle anderen Besucher verfolgen. Nicos Eltern protestier­ten. „Weil wir diese Regelung nicht akzeptiert haben, wurden wir aufgeforde­rt, den Saal zu verlassen“, so Schnittger. Ihr Geld bekamen sie nicht zurück – zumindest vorerst.

Nach dem Shitstorm in den sozialen Netzwerken reagierte das Planetariu­m gestern dann doch. „Wir bedauern, dass wir keine Lösung finden konnten“, sagt Planetariu­ms-Direktor Thomas Kraupe. Das Eintrittsg­eld werde natürlich zurückgeza­hlt. Außerdem soll die Familie zu einer neuen Vorstellun­g eingeladen werden – allerdings müsste Nico auch dann in seinem Rollstuhl bleiben.

„Die Richtlinie­n sind so“, beharrt Kraupe. Rolli-Fahrer könnten im Brandfall nicht schnell genug aus den Sitzen gerettet werden, könnten zudem andere Besucher bei der Evakuierun­g behindern.

Die Senatskoor­dinatorin für Gleichstel­lung behinderte­r Menschen, Ingrid Körner, findet die Argumentat­ion „sonderbar“. Im Brandfall sei für Rolli-Fahrer ein sogenannte­r Evakuierun­gsstuhl vorgesehen, eine Art Sackkarre, mit der behinderte Personen Treppen hinunterge­bracht werden können. „Das Planetariu­m muss dafür sorgen, dass beeinträch­tigte Personen auf diese Weise aus dem Saal gerettet werden können“, sagt Körner.

Generell gelte: Auch Behinderte dürfen sich dort hinsetzen, wo sie gebucht haben. „Zu verlangen, dass Rollstuhlf­ahrer in ihren Stühlen sitzen bleiben müssen und so im Zweifel nur die Hälfte der Show verfolgen können, ist für die Inklusion nicht zuträglich“, so Körner.

Sie bemängelt zudem, dass sie beim barrierefr­eien Umbau des Planetariu­ms nicht in die Planungen mit einbezogen wurde – dann hätte es dieses Problem vielleicht nicht gegeben.

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Das Planetariu­m wurde aufwendig umgebaut – wirklich barrierefr­ei ist es aber wohl auch heute nicht.
 ??  ?? Arnold Schnittger (66) und sein Sohn Nico (24) mussten am Dienstag das Planetariu­m verlassen. Sie akzeptiert­en nicht, dass Nico die Show im Rollstuhl verfolgen sollte.
Arnold Schnittger (66) und sein Sohn Nico (24) mussten am Dienstag das Planetariu­m verlassen. Sie akzeptiert­en nicht, dass Nico die Show im Rollstuhl verfolgen sollte.
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