Hessenwahl: Das große Zittern
Die Grünen sind der Königsmacher. Fällt Bouffier, ist auch Angela Merkel in Gefahr
WIESBADEN - Es ist die spannendste Wahl des Jahres: Die Berliner Politik zittert vor der Landtagswahl am Sonntag in Hessen. Den GroKo-Parteien droht eine ähnlich heftige Klatsche wie in Bayern. Nur die Grünen können frohlocken. Sie sitzen in fast allen denkbaren Szenarien in der Regierung. Für SPD-Chefin Andrea Nahles und CDU-Chefin Angela Merkel geht es um viel – auch ein Sturz der Kanzlerin und ein Ende der Großen Koalition sind möglich.
Nach der jüngsten Umfrage (Insa) bekäme die CDU 26 Prozent (Wahl 2013: 38,3!), SPD 21 (30,7), Grüne 21 (11,1), Linke 8 (5,2), FDP 7 (5,), AfD 13 (4,1). Welche Regierungsoptionen sich daraus ergeben – und wie wahrscheinlich sie sind:
➤ Alles wie gehabt: SchwarzGrün? Dafür fehlen derzeit ein bis zwei Sitze. Möglicherweise schneidet CDUMinisterpräsident Volker Bouffier (66) – einst ein „Law and order“-Mann, der mit den Grünen überraschend geräuschlos regiert hat – aber genau wie Markus Söder in Bayern zwei, drei Prozentpunkte besser ab als vorausgesagt. Die CDU würde daraus den Anspruch ableiten, den Ministerpräsidenten zu stellen. Wahrscheinlichkeit: groß. Denn: Die Grünen haben als Juniorpartner enorm profitiert. GrünenChef Tarek al-Wazir (47) stieg zum beliebtesten Politiker in Hessen auf. Eine Neuauflage von SchwarzGrün würde wohl den CDUVorsitz für Merkel retten.
➤ Jamaika mit der FDP. Sollten CDU und Grüne die Mehrheit verfehlen, könnte Bouffier versuchen, ein JamaikaBündnis aus CDU, Grünen und FDP zu bilden. Die Liberalen zeigen sich dafür offen. Doch die Stimmung zwischen Grünen und FDP ist angespannt. Wahrscheinlichkeit: mittel
➤ Hessen-GroKo: Schwarz-Rot.
Auch für diese Option gilt: Derzeit fehlt es an Sitzen, es sei denn, die CDU und/oder die SPD schneiden besser ab als derzeit vorausgesagt. Wahrscheinlichkeit: klein. Die Neigung der SPD, in Hessen in eine Große Koalition zu schlittern, dürfte nach dem Desaster in Berlin gering sein. Die CDU zieht ohnehin die Grünen vor. ➤ Rot-Rot-Grün oder Grün-RotRot: Das Ypsilanti-Trauma. Auch wenn Volker Bouffier vor linken Experimenten warnt, scheint ein Linksbündnis derzeit möglich. Bei der SPD regen sich dabei böse Erinnerungen: 2008 scheiterte der Versuch, eine von der Linken tolerierte Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten und Grünen unter Führung der SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti zu bilden, an vier SPD-Landtagsabgeordneten, die sich verweigerten. Ypsilanti musste gehen und den Platz für Thorsten Schäfer-Gümbel (49) frei machen. Entscheidend dürfte sein, ob die Grünen vor der SPD landen –
dann würden sie nach Winfried Kretschmann einen zweiten Ministerpräsidenten stellen. Ob SchäferGümbel das akzeptieren würde? Ob in der SPD erneut Heckenschützen alles torpedieren? Wahrscheinlichkeit: gering bis mittel. Sollte es allerdings dazu kommen und Bouffier sein Amt verlieren, dürfte es einen CDU-Aufstand gegen Merkel geben. ➤ Grüne Ampel mit FDP. Die hessische FDP wäre wohl für Grün-Rot-Gelb zu haben. doch Parteichef Christian Lindner sagt kategorisch: „Das Land braucht keinen Linksruck. Grün-Rot-Gelb wäre genau der Linksruck.“