Zeitumstellung abschaffen? In Deutschland ist das ein alter Hut
Schon vor 100 Jahren gab es Streit um die Winterzeit
FURTWANGEN – In der Nacht zum Sonntag dreht Deutschland wieder an der Uhr, früh um 3 geht es um eine Stunde zurück auf Winterzeit. Doch für die umstrittene Zeitumstellung selbst läuft die Zeit ab. Nächstes Jahr soll sie nach EU-Plänen gekippt werden – und wäre zum inzwischen dritten Mal in der deutschen Geschichte Geschichte.
Zumindest in Furtwangen im Schwarzwald ist das Drehen am Zeiger noch mühsame Handarbeit – auch dieses Wochenende zum Start in die Winterzeit. Rund 1300 Uhren sind im Deutschen Uhrenmuseum ausgestellt, rund 80 von ihnen ticken noch.
Nach dem Willen der EUKommission soll der Zeitenwechsel ein Ende haben. Im März 2019 sollen Uhren letztmalig verbindlich umgestellt werden. Geht es nach Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), bliebe die Uhr in Deutschland danach auf ewiger Sommerzeit stehen: „Die große Mehrheit der Menschen will nicht mehr alle sechs Monate an den Uhren drehen, und die meisten wünschen sich eine dauerhafte Sommerzeit“, so Altmaier. Auf EU-Ebene will er sich dafür einsetzen, möglichst schnell Einigkeit hierüber zu erzielen.
Verzichten auch die übrigen EU-Staaten künftig auf die Zeitumstellung, wäre sie Geschichte. „Wir haben diese Debatte natürlich aufmerksam verfolgt“, sagt Johannes Graf vom Deutschen Uhrenmuseum. Das Kuriose am Termin fürs mögliche Aus 2019: „Im nächsten Jahr wird die erstmalige Abschaffung der Zeitumstellung 100 Jahre alt“, so Graf. Genau in dem Jahr, in dem ihr Ende erneut besiegelt sein könnte. Es wäre eine Wiederholung der Geschichte.
Es war in der Nacht zum 1. Mai 1916, als die Uhren erstmals weltweit eine Stunde vorgestellt wurden. „Deutschland war damals mitten im Ersten Weltkrieg“, sagt Graf: „Die vom Deutschen Kaiserreich angeordnete Zeitumstellung sollte helfen, Energie zu sparen, und war zugleich eine Machtdemonstration.“Deutschland wollte der Welt die Zeit vorgeben, so Graf. Doch es gab Widerstand im Kaiserreich, von der Bevölkerung und der Landwirtschaft sowie im Reichstag. Die durch das Drehen des Uhrzeigers entstandene Sommerzeit war umstritten – und wurde 1919, also vor bald 100 Jahren, in der frühen Weimarer Republik, wieder beendet.
In den 1940er Jahren, im Zweiten Weltkrieg und danach, wiederholte sich das Ganze. Das Tageslicht sollte durch das Zeit-Verschieben besser ausgenutzt werden. Doch 1949 kam erneut das Aus für die in der Bevölkerung ungeliebte Sommerzeit.
Seit 1980 gilt laut Graf nun das Verschieben der Zeit in Deutschland, obwohl der Aufwand laut Experten in keinem Verhältnis zu den geringen Energieeinsparungen steht. Die EU dreht seit 1996 für alle verbindlich gleichzeitig am Zeiger. „Eine einzige Zeit für ganz Europa ist eine große Errungenschaft, ein Zeichen europäischer Einheit“, so Graf. Es sei problematisch, wenn nach dem Aus der europaweit geltenden Zeitumstellung einzelne Staaten eigene Wege gehen würden und es unterschiedliche Zeitzonen in Europa gäbe. Ziel sollten europaweite Lösungen sein, meint Graf. „Sonst droht ein zeitliches Durcheinander, von dem die Bürger nichts haben.“