Wann soll ich eingreifen?
Der Fall beschäftigt die ganze Stadt: 44-Jähriger half einer Frau und wurde fast zu Tode geschlagen
Helfer in Lebensgefahr! Nach der brutalen Attacke am Michel erklärt die MOPO: In welchen Situationen soll man sich einmischen – und in welchen nicht
Martin B. (Name geändert) wollte am Michel einer bedrängten Frau helfen. Jetzt ringt er mit dem Tod. Ganz Hamburg nimmt Anteil am Schicksal des 44-Jährigen, der in der Nacht zum Sonntag das Opfer brutaler Schläger wurde, die übrigens immer noch auf der Flucht sind. (MOPO berichtete) Viele Menschen fragen sich jetzt: Ist Zivilcourage lebensgefährlich? Soll ich eingreifen oder besser nicht? Die MOPO beantwortet die wichtigsten Fragen.
➤ Hat Martin B. in der Situation richtig gehandelt? Ja. Die Frau, der er zu Hilfe kam (sie hat sich inzwischen bei der Polizei gemeldet ), saß gegen 3.25 Uhr allein in ihrem Auto und wurde an der Kreuzung Ludwig-ErhardStraße/Englische Planke von zwei Insassen eines BMW laut Polizei in „belästigender Weise“angesprochen. Martin B. und ein 36jähriger Begleiter forderten die BMW-Insassen daraufhin auf, das zu unterlassen. Es war für sie offenbar zu keiner Zeit ersichtlich, dass die Täter sie wenig später mit äußerster Gewalt attackieren würden.
➤ Was rät die Polizei? Die Polizei sagt: „Jeder hilft so, wie er es sich selbst zutraut.“ Und weiter: „Keiner erwartet Heldentaten, niemand muss sich in Gefahr begeben“. Die Polizei rät, andere Umstehende direkt anzusprechen und zum Handeln aufzufordern, um nicht alleine dem Angreifer ausgesetzt zu sein.
Immer falsch ist es laut Polizei, gar nichts zu tun und wegzusehen. Jeder, auch der älteste und schwächste Mensch, kann den Notruf 110 wählen.
➤ Kann ich belangt werden, wenn ich die Situation falsch eingeschätzt habe und gar keine Gefahrensituation vorlag? Nein. Die Polizei sagt eindeutig: Lieber einmal zu viel den Notruf wählen als nichts tun. Ein Missbrauch von Notrufeinrichtungen liegt nur dann vor, wenn jemand die Polizei oder die Feuerwehr böswillig in die Irre führt. Nur dann muss der Betreffende die Kosten des Einsatzes übernehmen.
➤ Ich kann Kampfsport, hilft mir das beim Einschreiten gegen Gewalttäter? Kaum. Auf der Matte mit anderen Sportlern fair Karate oder Judo zu trainieren ist das eine, auf der Straße Typen gegenüberzustehen, die sich vielleicht jede Woche mit anderen Schlägern herumprügeln, etwas ganz anderes. Im übrigen hilft auch die ausgefeilteste Selbstverteidigungstechnik nicht gegen einen Angreifer, der ein Messer zieht. Wer solch einem Aggressor gegenübersteht, muss vor allem mental stark sein und die Situation cool beurteilen können. Das sagt einem jeder professionelle Personenschützer oder Türsteher. Damit aber dürfte ein auch noch so gut trainierter Normalbürger überfordert sein.
➤ Was passiert, wenn ich beim Einschreiten über das Ziel hinausschieße und einen Angreifer schwer verletze? Wenn tatsächlich eine Notwehr oder Nothilfe-Situation zugrunde liegt, dann geschieht einem in der Regel nichts. Der Gesetzgeber kennt den Begriff der exzessiven Nothilfe. Wer also in einer brenzligen Situation aus „Verwirrung, Furcht oder Schrecken“zu
Keiner erwartet eine Heldentat. Helfen Sie so, wie Sie es sich selbst zutrauen.
René Schönhardt, Polizei
hart zuschlägt oder gar einen Angreifer tötet, bleibt straffrei.
➤ Was geschieht, wenn ich beim Einschreiten vom Täter verletzt werde? Wer sich im Interesse der Allgemeinheit besonders einsetzt, der ist grundsätzlich gesetzlich unfallversichert. Außerdem kann bei schwerwiegenden Verletzungen das Opferentschädigungsgesetz wirksam werden. Nach schwerwiegenden Verletzungen bekommen die Opfer Geld vom Staat für ärztliche Behandlung und Rehabilitation.