Der Kampf um die Zinnwerke
Stadt will neue Nutzung für alte Industriehallen – Kreative fürchten Verdrängung
Alarm im Wilhelmsburger Kreativzentrum! Die Zinnwerke sollen ein neues und dauerhaftes Nutzungskonzept bekommen, doch die jetzigen Mieter sind besorgt: Ihre Zukunft ist nämlich ungewiss.
Seit sieben Jahren werkeln rund 80 Kreative gegen eine kleine Miete in den historischen Industriehallen am Veringhof 7, haben dort Büroräume und Studios in Eigenarbeit erschaffen und organisieren zudem monatlich einen Flohmarkt, der zum Stadtteiltreff avancierte.
Das Areal am Kanal ist riesig, neben der ehemaligen Maschinenhalle gehören noch die dem Abrissbagger geweihte „Soulkitchen“-Halle und weitere Gebäude dazu, die teils leer stehen. Seit Langem will die Stadt die Gegend entwickeln, jetzt ist endlich Geld da. 60 000 Euro bekam die Hamburger Kreativgesellschaft (HKG) für die Neuplanung.
Das Problem: Plötzlich sollte alles hoppladihopp gehen, binnen weniger Wochen sollten Anwohner Ideen einreichen, bei Workshops ein Konzept entwickelt werden. Daraus wird erst mal nichts. Denn in den Zinnwerken sind sie auf Zinne – weil nicht klar ist, ob die jetzigen Mieter, die das Areal überhaupt zum Leben erweckt haben, auch künftig einen Platz hier haben.
Martha Starke (27) und die anderen „Zinnwerker“fordern eine Art Bestandsschutz: Nur ihre Ideen in das Projekt einfließen zu lassen, wie es die HKG vorsieht, reiche nicht. Sie wollen eine Garantie, dass sie die Büros und Kreativräume weiterhin nutzen können und nicht von solventeren Mieter verdrängt werden.
Die Zeit drängt: Eigentlich genügt das Gebäude überhaupt nicht den Brandschutzregeln, sogar der Flohmarkt ist deshalb akut in Gefahr. „Es wollen ja alle, dass etwas passiert auch in Bezug auf den Brandschutz. Aber in dem kurzen Zeitraum ist das nicht zu machen“, meint Starke, die Chefin eines Designbüros ist. „Das Verfahren fühlt sich wie eine Bestrafung für Wilhelmsburg an“, findet Kay Otto (41), Inhaber einer Filmproduktionsfirma.
Aufseiten der Stadt sieht man es genau andersrum: Nur mit einer freien Planung könne man an der Stelle das beste Konzept für alle im Stadtteil umsetzen. Die Zinnwerker stören da eher. Bis jetzt ist eine kultur- und kreativwirtschaftliche Nutzung vorgesehen – was mit den Büros passiert, stehe noch nicht fest.
Im Januar soll es jetzt einen zweiten Workshop geben, um ein Konzept für die alten Hallen zu finden.