Man wird ja erwachsen …
„Vom HSV, da bin ich Fan von. Da steh ich stundenlang im Stadion. Und spielen unsere Jungs auch in Amerika – bin ich schon lange vor der Mannschaft da!“Dieses hübsche Lied war jahrelang der passende Soundtrack für mein Leben. Anfang der 90er Jahre gab ich Abiklausuren früher ab, um den Fanbus zum HSV-Auswärtsspiel rechtzeitig zu erreichen. Und selbstredend ließ ich eine Amerika-Reise mit meiner Mutter sausen, weil Wuschi Rohde und Co. zwei Heimspiele hintereinander auszutragen hatten. Gegen Köln und Wattenscheid ohne mich? Ohne mich! Die Belohnung: Zwei Unentschieden im Regen vor jeweils bummelig 10 000 Fans: 1:1 und 0:0. Yeah! Im Ernst jetzt: Darauf war ich zeitlebens stolz. Man muss eben härteste Entbehrungen aushalten. Auch und gerade als HSVer.
Das ist lange her. Und natürlich ist es immer noch so, dass ein HSV-Spiel fast jeden anderen Termin in unserem Hause schlägt. Aber eben nur noch fast. Man wird ja erwachsen! So spiele ich nicht mehr krank, wenn ich auf die seit vielen Monaten geplante Klassenfahrt muss und das HSV-Spiel auf Montag gelegt worden ist. Ich bin schließlich der Klassenlehrer! Da muss ich verantwortungsvoll agieren – und im heruntergekommenen Schullandheim eben nach diesem vermaledeiten Herbergsvater und dem WLAN-Passwort suchen, während meine Klasse die Kegelbahn auseinandernimmt. Und ich lasse auch nicht mehr jede x-beliebige Spielermama („Hauptsache, ihr habt euch schön warm angezogen, Kinder!“) meine D-Jugend im Spitzenspiel gegen Itzehoe coachen, während der HSV spielt. Nein, mittlerweile stehe ich selber am Spielfeldrand, während Regensburg im Volkspark mit 5:0 gewinnt. Und NEIN! Ich habe NICHT vor Wut geweint, nachdem mir das Zwischenergebnis aus Hamburg kundgetan wurde, liebe Kinder auf der Auswechselbank! Das war bloß Schweiß! Und jetzt Schnauze! Sonst wird das hier nix mehr mit eurer Einwechslung!
Worauf wollte ich jetzt eigentlich hinaus? Na, vielleicht ja darauf: Auch am vergangenen Samstag war ich weder in Ingolstadt, noch auf dem Sofa. Ich musste mit Nachbarn und Freunden boßeln. Das ist dieser friesische Nationalsport, bei dem man versucht, eine Kugel so weit wie möglich durch die Marsch zu werfen bzw. zu rollen, ohne dass dieses runde Etwas in den Graben fliegt und zwischendurch gibt das Schnaps und den Zwischenstand des HSVSpiels und hinterher Grünkohl satt. Und ja, es mag sein, dass das einem echten Fan nicht passieren würde, dass er während eines HSV-Spiels am Arsch der Heide rumdödelt, statt seinem Lieblingsklub die Stange zu halten. Ich bin da ja auch nicht stolz drauf. Aber zumindest hatte ich – wo immer das herkam – ein Netz und der ganze Samstag wurde doch noch so richtig schön, als der Ticker kurz vor 15 Uhr „Schlusspfiff“in Ingolstadt vermeldete. Ich will das hier nicht zu hoch hängen, aber dieser Moment, wenn ein HSVSieg unter Dach und Fach ist, der hat doch immer wieder etwas von: „Glückwunsch! Sie sind soeben Vater einer gesunder Tochter geworden.“
Auch geil war dann natürlich, am Sonntag ein bisschen verkatert – Hose auf, Füße hoch – das ganze Spiel nochmal auf Sky und in Ruhe in der Wiederholung zu gucken. Wobei ich – ehrlich gestanden – nicht so viel vom 2:1-Sieg mitbekommen habe. Ich bin ab Spielminute 10 auf dem Sofa eher so gemütlich weggeschlummert. Zuviel Grünkohl und Schnaps und – nun ja – routiniertes bzw. „erwachsenes“(so heißt das ja jetzt) HSV-Gekicke sei „Dank“… Aber hey: Erwachsen – das bin ich jetzt ja auch! SPITZENREITER! SPITZENREITER! Rrrrapüüh… Rrrrapüüh…