DieMafia-Jäger kamen im Morgengrauen
Hunderte Polizisten durchsuchten Restaurants, Büros und Wohnungen
PULHEIM - In den frühen Morgenstunden schlugen die Ermittler zu. Nicht nur in Deutschland, auch in Italien, den Niederlanden und sogar in Südamerika. Im Visier: die ’Ndrangheta – die derzeit mächtigste Mafia-Organisation.
Es war die größte Ermittlung in der Geschichte des Bundeskriminalamtes. Zeitgleich schlugen in Europa und Südamerika um 6 Uhr morgens Ermittler zu, nahmen 90 Personen wegen Drogenhandels und Geldwäsche fest. 23 Objekte im Rheinland und Ruhrgebiet wurden durchsucht. Unter anderem auch eine Pizzeria in Pulheim.
Dort holten Ermittler des Kommissariats 23 (Organisierte Kriminalität) den dicksten Fisch aus dem Bett: Luigi G. (45, Name geändert). Der Gastronom gilt als Kopf des Mafia-Clans ’Ndrangheta. Er werde der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation beschuldigt, außerdem soll er beteiligt gewesen sein an „Kokainhandel in sehr, sehr umfangreichem Maße“, so ein Polizeisprecher. Ohne Gegenwehr ließ er sich festnehmen. Während er in Handschellen abgeführt wurde, schliefen seine beiden Kinder.
Der unscheinbare Italiener soll tonnenweise Koks aus Südamerika nach Europa gebracht haben. Die Ware kam im Hafen von Rotterdam per Schiff an und wurde dann in einem speziell umgebauten Pferdetransporter weiter nach England gebracht. Den Tatverdächtigen werden bisher mindestens 23 solcher Transporte von jeweils 80 Kilo Kokain zur Last gelegt.
Einen dieser Transporte fing die Polizei vor zweieinhalb Jahren ab – und startete die Ermittlungen im Rheinland gegen den Mafia-Clan unter dem Decknamen „Falabella“(eine argentinische Miniaturponyrasse). Die Ermittler hörten monatelang Handys ab, tauschten sich mit Kollegen in ganz Europa aus, um den größten Schlag gegen die Mafia vorzubereiten. Das Verfahren richtet sich gegen italienische und deutsche Staatsangehörige (33 bis 68 Jahre).
Luigi G. mimte nach außen den braven Familienvater. Erst vor vier Monaten war er erneut Vater geworden. Vor einem Jahr ließ er sein Restaurant aufwendig sanieren.
Das gute Essen lockte auch Polizeibeamte an – Wie die MOPO erfuhr, wird gegen mehrere Beamte wegen Verrats von Dienstgeheimnissen ermittelt. Sie sollen Luigi G. gewarnt oder auch Personen für ihn im Polizeicomputer überprüft haben. Auch gegen einen Regierungsbediensteten der Polizei Köln wurde ein solches Verfahren eingeleitet.
Luigi G. war bereits vor Jahren wegen Drogenhandels aufgefallen. Er soll mit Komplizen internationale Firmen gegründet haben – mit dem Ziel des Wirtschaftsbetruges. In 166 Fällen wird nun ermittelt.
Die Europäische Justizbehörde Eurojust teilte am Mittwoch bei einer internationalen Pressekonferenz in Den Haag mit, man habe 4000 Kilo Kokain sowie 140 Kilo Ecstasy-Pillen beschlagnahmt.
Insgesamt seien Vermögenswerte in Höhe von fünf Millionen Euro (darunter zwei Millionen Euro Bargeld) vor allem in Nordrhein-Westfalen, aber auch in anderen Bundesländern beschlagnahmt worden.