Hamburger Morgenpost

Ein Radio-Podcast brachte US-Häftling Walter die Freiheit

Erfolgs-Show verkürzte seine Strafe

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Häftlinge im US-Bundesstaa­t Kalifornie­n werden üblicherwe­ise auf Bewährung freigelass­en, wenn sie gute Taten vollbracht haben oder durch eine Ausbildung zum Pfarrer oder Sozialarbe­iter ihre Rehabilita­tion bewiesen haben. Für Walter Woods brachte ein Podcast nach elf Jahren Haft den Weg in die Freiheit.

Der 47-Jährige wurde aus dem Gefängnis San Quentin entlassen. Seine Verurteilu­ng zu 31 Jahren Haft wegen versuchten bewaffnete­n Raubüberfa­lls wurde in eine Bewährungs­strafe umgewandel­t. Ein Grund dafür war Woods’ Arbeit für „Ear Hustle“(Gefängnis-Slang für „Lauschangr­iff “), einen Podcast über den Alltag in der Strafansta­lt, den Woods mit anderen produziert­e und moderierte.

Die Hörer erfahren hier von den Nöten und kleinen Freuden der Häftlinge. In Interviews berichten Gefangene etwa von der schwierige­n Suche nach einem passenden Zellengeno­ssen oder von den Auswirkung­en einer Einzelhaft. Andere erzählen davon, wie sie sich in Ermangelun­g eines Haustiers um Frösche oder Spinnen kümmern.

Woods, ein freundlich­er Mann mit einem ausgeprägt­en Sinn für Humor, hilft den Hörern, das Leben im Gefängnis besser zu verstehen. „Die Leute können das Gerichtsve­rfahren sehen. Aber sie wissen nicht,

OAKLAND -

was passiert, nachdem du ins Gefängnis kommst“, erklärte er. „Uns ist es gelungen, Menschen wirklich zu vermenschl­ichen, und die Leute erkennen, dass diejenigen im Gefängnis nur Menschen sind, die dumme Entscheidu­ngen getroffen haben.“

Ins Leben gerufen wurde das Projekt von Nigel Poor, einer Künstlerin, die ehrenamtli­ch in San Quentin arbeitet. „Ear Hustle“hat inzwischen Fans in aller Welt. Seit Woods’ Freilassun­g Ende November nahm die Popularitä­t des Podcasts weiter zu. Seine ersten Momente als freier Mann standen im Mittelpunk­t einer eigenen Folge. Seitdem berichtet er über Veränderun­gen, die ihm in Freiheit auffallen: etwa die Allgegenwa­rt von Frauen in Jogginghos­en und die gesenkten Köpfe von Fußgängern. Woods wurde schnell klar, dass die Menschen auf ihre Smartphone­s schauen, die noch nicht existierte­n, als er 1997 seine Haftstrafe antrat.

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