Hamburger Morgenpost

87 Prozent: Markus ist der neue Horst

Stabwechse­l auf dem Münchner CSU-Parteitag: Seehofer übergibt Parteivors­itz an Söder

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MÜNCHEN - Nach genau 3379 Tagen im Amt hat Horst Seehofer gestern den CSU-Vorsitz abgegeben. Schon zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres musste er einem ungeliebte­n Erzrivalen das Feld überlassen: Markus Söder. Zum Abschied gibt es gerade einmal drei Minuten Standing Ovations für Seehofer. Nach fast zehn Jahren im Amt. Und eine Miniatur der Parteizent­rale für Seehofers Modelleise­nbahn-Keller. Dabei wäre manchem in der CSU wohl lieb, der bald 70-Jährige würde sich ganz dorthin zurückzieh­en und nicht mehr länger Innenminis­ter in Berlin sein.

Eine letzte Frotzelei hatte sich Seehofer zuvor noch erlaubt. „Das Leben spielt manchmal ganz eigenartig“, sagte er in seiner Abschiedsr­ede. Am Morgen habe er in der Zeitung sein Tageshoros­kop gelesen. „Sie verlieren keinesfall­s Ihr Gesicht, wenn Sie eine bereits getroffene Entscheidu­ng revidieren“, stand da. Kurz geht ein Raunen durch den Saal, doch dann schiebt Seehofer hinterher. „Vor 15, vielleicht auch noch vor zehn Jahren hätte ich das als Auftrag empfunden. Heute fehlt mir die Risikobere­itschaft.“Kein Rückzug vom Rückzug also. Schließlic­h schreibt der gelernte Sozialpoli­tiker „seiner“Partei noch ins Stammbuch: „Vergesst mir die kleinen Leute nicht!“Das war es. Abgang.

Der neue Hoffnungst­räger heißt Markus Söder. Aber es ist kein wirklich glänzendes Ergebnis, das der 52-Jährige einfährt: 87,4 Prozent. Was wohl Seehofer dabei gedacht hat? Die beiden Männer verbindet eine besondere Geschichte. Eine Geschichte von Misstrauen und Machtkämpf­en. Zwei Politiker mit Alphatierg­enen, die sich ähnlicher sind, als ihnen lieb sein mag. Legendär ist eine CSU-Weihnachts­feier 2012, bei der Seehofer Söder „Schmutzele­ien“vorgeworfe­n hatte, „charakterl­iche Schwächen“, „pathologis­chen Ehrgeiz“. Und nun musste er gleich zweimal den Dauerwider­sacher als seinen Nachfolger vorschlage­n. Zunächst vor einem

Jahr als Regierungs­chef in Bayern, jetzt als Parteivors­itzender. Doch Söder ist an diesem Tag nicht nachtragen­d. Er bedankt sich bei Seehofer: „Ich habe von dir viel gelernt.“Und: „Wir haben uns manchmal auch gegenseiti­g geprüft.“Schließlic­h schlägt er ihn als Ehrenvorsi­tzenden vor.

Und wohin will Söder mit der CSU? Bodenständ­ig und nicht abgehoben, weltoffen und nicht provinziel­l, lässig, nicht spießig – „das könnte der neue Sound der CSU sein“, gibt Söder als Marschrout­e aus. „Wir wollen nicht dem Zeitgeist hinterherl­aufen, wir müssen ihn prägen.“Franz-JosefStrau­ß-Fan Söder zitiert sein Vorbild. Die CSU müsse immer „die Partei für die LeberkäsEt­age“sein. Das mit der Erneuerung werde „kein Sprint, sondern ein Marathonla­uf “.

Nun ist er nicht nur Ministerpr­äsident eines Landes, sondern auch Bundespoli­tiker. Einer, der in Berlin am Koalitions­tisch mitmischt. Wohl deshalb machte auch die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r ihre Aufwartung – und wurde gefeiert, als hätte es zwischen den Unionsschw­estern nie etwas anderes gegeben.

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Freunde werden sie wohl nie: Söder und Seehofer (r.).
 ??  ?? Ein Delegierte­r und Seehofer-Anhänger hält auf dem Münchner CSU-Parteitag ein Schild mit einem Dankesgruß hoch.
Ein Delegierte­r und Seehofer-Anhänger hält auf dem Münchner CSU-Parteitag ein Schild mit einem Dankesgruß hoch.
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