So wurde früher gefeiert
Auferstanden aus Ruinen ... Der Kiez nach dem Krieg
Kriegsende 1945: Der Kiez liegt in Trümmern. Die prächtigsten Vergnügungspaläste sind Geschichte. Doch zwischen den Ruinen keimt neues Leben im berühmtesten Vergnügungsviertel der Welt. Zwar gibt es in der „Bierhalle Zillertal“noch kein Bier, doch immerhin wird Ende 1945 von den Briten das Tanzverbot aufgehoben.
Es ist die Zeit von Willi Bartels (1914-2007), dessen Enkel heute zu den größten Immobilien-Besitzern des Kiezes gehören. Der gelernte Schlachter eröffnet seine „Jungmühle“und sagt den denkwürdigen Satz: „Je mieser die Zeiten, desto vergnügungssüchtiger sind die Leute.“So schildert es Ariane Barth in ihrem Standardwerk „Die Reeperbahn“.
Nach der Aufhebung des „Fraternisierungsverbots“kommen auch immer mehr Besatzungssoldaten auf den Kiez. Der Schwarzmarkt blüht, ein Pfund Butter kostet gut 400 Mark und für 30 bis 40 Zigaretten bekommen die „Soldiers“damals schnellen Sex an der Reeperbahn.
Mit den 50er Jahren kommt die Wirtschaftswunderzeit. Die Skandinavier entdecken den Kiez mit seinen Dutzenden Spelunken, Kabaretts und Clubs. Im Gegensatz zu ihren Heimatländern ist der Alkohol in Hamburg spottbillig. Ein kleines Bier gibt es oft schon für eine Mark (50 Cent). Man kann aber auch sehr viel mehr loswerden. Durch Nepp beispielsweise.
So wirbt ein Koberer eines Clubs mit „Schweinefilmen“und verlangt Eintritt. Zu sehen gab es dann landwirtschaftliche Lehrfilme über erfolgreiche Schweinezucht. Das war ja noch lustig. Doch schon damals wurden betrunkene Gäste brutal abgezogen. Läden, in denen es hieß, „Bier oder Cola oder raus“, galten noch als extrem fair.
Mitte der 50er Jahre eröffnen die ersten Striptease-Bars. In den 60er Jahren gibt es dann im „Safari“an der Großen Freiheit mehr oder weniger heimlich sogar Sex auf der Bühne. Und die Polizei registrierte erstmals, dass es so etwas wie „Organisiertes Verbrechen“auf dem Kiez gab. Drogen waren wenig verbreitet, nur die Chinesen an der Schmuckstraße rauchten ihre Opium-Pfeifchen.
Als die Beatles dann 1960 – in dem Jahr, als Hans Albers starb – ihre Karriere auf dem Kiez begannen, war alles wieder wie früher. St. Pauli florierte, jedes Jahr kamen Hunderttausende, tranken rund um die Uhr im „Lehmitz“oder anderen Kneipen. Inzwischen kostete ein Bier aber schon 2,50 Mark.
Kiez-Größen wie „OchsenHarry“oder „Sankt Paulchen“steckten ihre Reviere ab, alle verdienten prächtig. Am prächtigsten Wilfrid „Frieda“Schulz – ein kräftiger Mann, der später als „Pate von St. Pauli“stadtbekannt wurde. Aber das ist eine andere Geschichte.