Hamburger Morgenpost

Es hätte so schön

Das„ Gasthaus an der Alster“hat Potenzial–aber kaum Interesse, es zu nutzen

- NADINE RINKE n.rinke@mopo.de

Es fehlt eigentlich nicht viel. Das „Gasthaus an der Alster“hat die Lage, die Klientel und die Geschichte für einen Hamburger Gastro-Klassiker. Das Interesse, dort hinzukomme­n, spürt man im Restaurant allerdings nicht. Läuft doch auch so, strahlt der gesamte Betrieb aus. Und man muss einräumen: stimmt sogar.

An einem gewöhnlich­en Abend unter der Woche ist der Laden gut gefüllt, in dem ausgesproc­hen weitläufig­en Lokal ist es aber gar nicht so einfach, den Blick der Kellnerin einzufange­n. Ob denn noch zwei Plätze für hungrige Laufkundsc­haft frei wären? Sind sie, und so werden wir in die Nähe der Bar gesetzt. Gut für uns, denn die Sitznische ist gemütlich – und gut für den Service, muss er nicht so weit laufen. Zeit, sich mal umzuschaue­n: viel Holz, blassgelbe Wandfarbe, viel nostalgisc­her Zierrat, Theater-Fotos – und im Eingangsbe­reich sitzt eine lebensgroß­e Großmütter­chen-Figur. Das Gasthaus gibt es „seit 30 Jahren“, sagt die Bedienung – ein bisschen wird die Illusion genährt, es gingen noch zwei, drei Generation­en voraus.

Die Karte („Oma empfiehlt“) ist guter Wirtshauss­tandard mit norddeutsc­hem Einschlag, das heißt neben Schnitzel gibt’s auch Scholle. Oder eben Labskaus (13,50 Euro): Das Gericht aus Kartoffeln, Roter Bete und Corned Beef ist selten eine Schönheit, hier gibt’s zum blassrosaf­arbenen Pamps zwei Spiegeleie­r obendrauf. Die Portion ist riesig und gut gewürzt, genau das also, was man im Wirtshaus erwartet. Den saisonalen Klassiker haben wir ebenfalls bestellt: Grünkohl mit Kasseler und Kochwurst (15,40 Euro). Kann man nicht viel falsch machen: Der Kohl ist schön durchgezog­en, das Kasseler ein bisschen trocken, die Wurst von guter Qualität. Dazu goldbraun karamellis­ierte Kartoffeln, der Markensenf kommt aus der Tüte. Das tut dem Geschmack keinen Abbruch und ist letztlich nicht so wichtig, trotzdem: Ein kleines Pöttchen wäre irgendwie nett gewesen – und die Anmutung gleich etwas herzlicher. Riesling und Grauburgun­der (je 5,20 Euro/0,2 l) kommen ja schließlic­h auch in Karaffen. Der Wein ist gut, sofern man das bei der eiskalten Trinktempe­ratur beurteilen kann.

Nach einer leicht oll schmeckend­en Roten Grütze (5,50 Euro) mit Vanilleeis begleichen wir die Rechnung und ziehen weiter, vorbei am Tisch mit sich amüsierend­en Geschäftsl­euten, dem Ehepaar, das nur auf ein Getränk reingekomm­en ist, und Skat spielenden Senioren. Ein paar Stammgäste glauben wir hier auszumache­n. Wir werden wohl keine – mit ein wenig mehr Liebe zum Detail hätte das „Gasthaus an der Alster“uns vermutlich deutlich mehr überzeugt.

➤ „Gasthaus an der Alster“:

Ferdinands­tr. 65-67 (Altstadt), täglich 11-24 Uhr, Tel. 32 72 09

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany