Hamburger Morgenpost

Holtby zeigt Herz

St. Gallens Wiss nach Duell mit dem HSV-Profi schwer verletzt. Der kümmert sich jetzt um ihn

- S.braasch@mopo.de

SIMON BRA SCH Er kehrte als einer der Gewinner des Trainingsl­agers nach Hamburg zurück. Lewis Holtby machte in La Manga einen starken Eindruck, der Mittelfeld­mann ist schon f t für die Rückrunde. Einen ganz besonderen Sieg aber fuhr Holtby neben dem Platz ein – weil er einem Berufs-Kollegen in dessen größter Not zur Seite steht.

Er wird diese Bilder nicht vergessen, so viel steht fest.

„Das berührt mich sehr“, sagt

Holtby, wenn er an die Momente vom vergangene­n Montag denkt. Der Test des HSV gegen St. Gallen, die 17. Minute. Für den Bruchteil einer Sekunde berühren sich die Füße von Holtby und St. Gallens Alain Wiss, danach liegt der Schweizer wimmernd am Boden, schlägt die Hände vors Gesicht und weint. Mittlerwei­le ist klar: Wiss zog sich einen Riss des linken Kreuzbande­s und Teilriss des Innenbande­s zu.

Eine Horrorverl­etzung. Sechs Monate wird Wiss pausieren müssen, die Saison ist für ihn beendet. Was das Ganze noch schlimmer macht: Der 28-Jährige steht möglicherw­eise vor der Arbeitslos­igkeit. Sein Vertrag in St. Gallen läuft aus und soll nicht verlängert werden.

Holtby zeigte Herz, suchte sofort den Kontakt zu Wiss. „Zuerst wusste ich gar nicht, wie das passiert ist“, sagte er der MOPO am Sonntag. „Dann hat mir ein Coach von St. Gallen die Szene gezeigt. Alain kam leider genau in dem Moment, in dem ich durchziehe. Das sah wirklich ekelhaft aus mit dem Knie. Als ich das sah, tat es mir richtig leid. Ich habe Alain dann direkt angeschrie­ben, wir sind in Kontakt.“

In Holtby kamen auch die alten Bilder aus dem Januar 2015 wieder hoch. Damals, in Abu Dhabi, wurde er selbst Opfer einer schweren Verletzung, brach sich im Test gegen Frankfurt (3:2) das Schlüsselb­ein und fiel zwei Monate lang aus. „Im Bruchteil einer Sekunde kann so viel passieren“, weiß er. „Das war bei mir in Abu Dhabi auch der Fall. Man liegt dann da ganz allein, hat Schmerzen und 1000 verschiede­ne Gedanken. Deshalb wollte ich Alain jetzt nicht alleinlass­en, sondern ihn als Mitverursa­cher unterstütz­en. Er weiß, dass ich ihm helfen werde, wenn ich es irgendwie tun kann.“

Zur Freude Holtbys blickt Wiss, der 2012 zwei A-Länderspie­le für die Schweiz bestritt, schon wieder recht positiv in die Zukunft. „Sein Vertrag läuft aus, es ist total schwierig für ihn“, weiß Holtby. „Aber er ist total positiv, sehr klar im Kopf. Wir bleiben auf jeden Fall in Kontakt.“

Holtby zeigt Herz nach dem Verletzung­s-Drama. Vielleicht wichtiger als so einige Tore oder so mancher Sieg.

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St. Gallens Alain Wiss liegt mit Schmerzen auf dem Boden. Lewis Holtby (M.) ist bei ihm, will wissen, wie es ihm geht.

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