Hamburger Morgenpost

Das FBI jagt meine Tochter

28-Jährige schloss sich dem IS in Syrien an – jetzt sei sie geläutert, sagtsie, und will zurück

- Von DANIEL GÖZÜBÜYÜK UND RÜDIGER GÄRTNER

Der Hilferuf der Mutter, der dramatisch­e Fall:

Es ist der Hilfeschre­i einer verzweifel­ten Mutter: Die 57-jährige Ludmilla Fritzler bangt um ihre Tochter Elina (28). Sie folgte vor Jahren ihrer großen Liebe, dem mittlerwei­le verstorben­en Serkan E., nach Syrien und möchte nun wieder nach Hause. „Alles, was ich will, ist meine Tochter in meinen Armen“, sagt die Mutter. Doch die Vorwürfe gegen Elina wiegen schwer. Laut Bundesgeri­chtshof und FBI, das in den Fall ebenfalls involviert ist, soll Elina dem „Islamische­n Staat“(IS) angehören.

„Alles Vergangenh­eit“, sagt ihre Mutter. Unruhig bewegt sich Ludmilla Fritzler in ihrer Nordersted­ter Wohnung hin und her, kramt zwischen den vielen Briefen, die sie an etliche Sicherheit­sbehörden verschickt hat.

Bilder ihrer Tochter Elina zieren die Wand, den Tisch, die Ablage des Fernsehers. Fritzlers Hände zittern, ihre Haut ist blass. Die Trauer und die Sorgen – sie sind der Frau förmlich ins Gesicht geschriebe­n. „Sie war so ein gutes und liebes Mädchen. Ich weiß nicht, wie das alles nur passieren konnte“, sagt sie und hält die Tränen zurück.

Mitte der 2000er Jahre lernte Elina, aufgewachs­en in Tonndorf, Serkan E. kennen, einen schon damals der Polizei bekannten Mann. Er bezirzte sie mit Kompliment­en, kaufte ihr Schmuck und teure Kleider. Sie verfiel dem braun gebrannten und charmanten Hünen mit den dunklen Augen, wie ihre Mutter es beschreibt.

„Bei den beiden ging alles sehr schnell“, sagt Fritzler. „Sie schienen sehr innig, konnten einfach nicht ohneeinand­er. Aber auch nicht miteinande­r.“Oft hätten sie sich gestritten, mitunter so heftig, dass auch die Fäuste geflogen seien – auf beiden Seiten.

„Es war eine Hassliebe“, sagt Ina Franck, langjährig­e Anwältin der Familie und Strafverte­idigerin aus Hamburg. Zusammen mit der Mutter kümmert sie sich nun um die Rückführun­g Elinas. „Die Liebe machte sie blind. Sie tat alles einfach für ihn.“

Schließlic­h konvertier­te Elina für E. sogar zum Islam, trug Kopftuch, verteilte in Bergedorf Korane. „Es kam so plötzlich, und ich hatte ein komisches Gefühl“, sagt Fritzler, „aber ich habe es akzeptiert.“

Als ihr Geliebter dann aber als Verbrecher durchstart­en wollte, sich sogar einer Rocker-Bande anschloss, läutete er so den Untergang ihrer gemeinsame­n Liebe ein: Nachdem Serkan E. mit im Auto saß, als ein Komplize im Mai 2010 an der Eiffestraß­e in Hamm auf zwei Rotlicht-Rivalen schoss, und E. dann wegen Beihilfe zum versuchten Mord angeklagt wurde, setzte er sich zusammen mit Elina 2012 nach Istanbul ab. Später ging es weiter nach Syrien – um für den IS im „Heiligen Krieg“zu kämpfen.

Was die beiden nicht wussten: Zu diesem Zeitpunkt wurden sie bereits vom FBI beobachtet. Das geht aus einem Schreiben des Bundesgeri­chtshofs hervor, das der MOPO vorliegt. Zusammen mit dem deutschen Verfassung­sschutz verfolgten die Amerikaner all ihre Schritte.

Demnach sei Elina seit 2013 festes IS-Mitglied gewesen und blieb es bis mindestens Ende 2017 – also noch lange nach dem Tod E.s, der 2014 erschossen wurde. Tugba S., eine Freundin Elinas, bestätigte das gegenüber der Polizei. Sie wolle trotz seines Todes den gemeinsame­n Sohn, den sie in Syrien zur Welt brachte, „zum besten Kämpfer und Diener Allahs erziehen“, so Tugba S.

Elina soll auch versucht haben, Menschen übers Internet für den IS zu rekrutiere­n. Unter anderem in einem Video, in dem sie verschleie­rt und mit einem russischen Sturmgeweh­r auf-

getreten sein soll. Ihr Bruder sagte bei der Polizei aus, seine Schwester anhand der Stimme erkannt zu haben.

Seit zwei Jahren versucht die mittlerwei­le 28-jährige, die sich zurzeit mit ihren zwei Kindern in einem Lager nahe der türkischen Grenze befindet, wieder nach Hamburg zu kommen. Geläutert und reumütig, wie ihre Mutter sagt: „Sie hat Angst und wird beschimpft, weil sie ihr Kopftuch abgelegt hat. Sie will ihr normales Leben zurück. Und ich auch.“

Die Mutter wandte sich auch an das Auswärtige Amt, das sie vertröstet­e. „In Syrien ist eine konsularis­che Betreuung nach Schließung der Botschaft weiterhin nicht möglich“, erklärte eine Sprecherin der MOPO.

Will Deutschlan­d keine Frau ins Land lassen will, die möglicherw­eise noch immer IS-Anhängerin ist? Erst gestern durchsucht­e der Staatsschu­tz die Wohnungen der Mutter und des Bruders. „Elina ist unschuldig“, beteuert Fritzler. Das gilt es nun zu überprüfen.

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Elina Fritzler befindet sich momentan in einem Lager im syrischen Ain Issa.
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Elina (l.) und Mutter Ludmilla (Mitte) mit Elinas Oma. Das Mädchen konvertier­te später zum Islam.
 ??  ?? Elina nach ihrer Konvertier­ung mit ihrem ersten Sohn. Aus Liebe zu Freund Serkan trug sie Kopf uch oder Burka.
Elina nach ihrer Konvertier­ung mit ihrem ersten Sohn. Aus Liebe zu Freund Serkan trug sie Kopf uch oder Burka.
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