Hamburger Morgenpost

Der Staat muss die Spritpreis­e erhöhen!

Die Gesellscha­ft trägt Kosten, die von Autofahrer­n verursacht werden. Um das zu ändern, muss sich die Politik jetzt unbeliebt machen, meint Professor Maennig.

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Jahr für Jahr werden in Hamburg mehr Autos angemeldet. Kein Wunder, verbinden viele Menschen einen eigenen Wagen doch mit einem Gefühl der Freiheit, Unabhängig­keit. Die Flexibilit­ät ist deutlich höher als etwa beim öffentlich­en Nahverkehr. Ein entscheide­nder Faktor! Die Kraftstoff- und Reparaturk­osten übersteige­n zwar die Ticketprei­se des ÖPNV, letztlich entscheide­n sich die Autofahrer aber für den Komfort.

In ihrer Abwägung beachten Autofahrer oft nur die beispielha­ft erwähnten, sogenannte­n internen Kosten. Autofahren verursacht aber weitere Investitio­nen – bedingt durch Lärm und Abgase, die andere krank machen. Diese „externen“Arzt- und Krankenhau­skosten betreffen den Autofahrer aber nicht, er muss dafür nicht zahlen.

Müsste der Autofahrer sämtliche dieser Kosten tragen, würde er das Auto häufiger stehen lassen – oder sich ganz für einen Umstieg entscheide­n. Anders formuliert: Aus volkswirts­chaftliche­r Sicht wird viel zu viel Auto gefahren, weil es zu billig ist! Hier versagen der Markt, aber auch der Staat – weil die vorhandene Politik nicht in der Lage ist, den Autofahrer­n die wahren Kosten ihrer Mobilitäts­form zuzuordnen.

Kurzum: Der Staat ist gefordert, den Autoverkeh­r zu reduzieren! Wie? Indem er etwa die externen Kosten auf die Mineralöls­teuer aufschlägt. Das klingt in der Theorie einfach, in der Praxis ist das jedoch komplizier­t – weil es kein allgemein akzeptiert­es Messverfah­ren für die externen Kosten gibt.

Eine Studie der europäisch­en Grünen aus 2013 kommt beispielsw­eise zu dem Ergebnis, dass – über Mineralöls­teuer, Kfz-Steuer und Autoversic­herung hinaus – pro 100 gefahrenen Auto-Kilometern 15 Euro an externen Kosten anfallen. Wenn man von einem durchschni­ttlichen Verbrauch von acht Litern pro 100 Kilometer ausgeht, müssten die Kraftstoff­preise um (15 geteilt durch 8) 1,88 Euro pro Liter steigen. Der Liter Super E10 würde dann statt derzeit rund 1,29 Euro etwa 3,17 Euro kosten!

Mehr als 75 Prozent der externen Kosten rühren laut solchen Studien aus den Unfallausg­aben und den Kosten des autoverurs­achten Klimawande­ls. Einige Studien zeigen aber auch, dass nördliche Länder wie Deutschlan­d beim Klimawande­l per Saldo nicht mit Kosten, sondern gar mit Nutzen rechnen können: Ein wärmeres Klima in Deutschlan­d aktiviert die Reiseverke­hrsbilanz – und führt demnach zu zusätzlich­em Einkommen.

Kein Wunder, dass andere Schätzunge­n nur zu einem Bruchteil der besagten externen Kosten kommen. Und regelmäßig verweisen „autofreund­lichere“ Studien auf externe Nutzen des Autofahren­s, die nicht außer Acht bleiben dürften: Die deutsche Automobilp­roduktion führt zu Know-How-Transfers in andere Industrieb­ranchen.

Was also ist jetzt zu tun? Um die Situation – auch im Hinblick auf das Klima – zu verbessern, sollte die Mineralöls­teuer für Diesel jährlich beispielsw­eise um drei Cent je Liter erhöht werden. Als die jetzige Kombinatio­n aus erhöhter Kfz-Steuer und verringert­er Mineralöls­teuer für Dieselfahr­zeuge eingeführt wurde, war dies als Ausgleich für Pendler gedacht, die einen Anteil von rund 25 Prozent der deutschen Autofahrer ausmachen. Die Zulassungs­raten für Dieselfahr­zeuge erreichten jedoch vor nicht allzu langer Zeit 50 Prozent – ein klares Zeichen einer zu starken Diesel-Förderung. Eine gestufte Korrektur wäre angesagt!

Allerdings bleibt die Frage der politische­n Durchsetzb­arkeit. Als die Grünen 1998 einen Benzinprei­s von fünf Mark pro Liter forderten, sanken ihre Zustimmung­swerte dramatisch – sie gaben die Forderung schnell auf. Und die derzeitige­n Gelbwesten-Unruhen in Frankreich entstanden als Reaktion auf die Pläne von Präsident Macron, die Diesel-Steuern zu erhöhen, um die Energiewen­de durchzuset­zen. Die Politik müsste sich in diesem Fall unbeliebt machen. Ob sie das tut, ist eine andere Frage.

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