Hamburger Morgenpost

Auf den Straßen von Hamburg

-

Die Straße bleibt in meinem Kopf. Keine Ahnung, wie lange ich schon die graue Jogginghos­e anhabe. Ich habe sie nicht gewaschen. Von Sonntag bis Dienstag bin ich ohne Socken in den Schuhen gelaufen.

Ich hatte Interviews und Meetings für mein Duschbus-Projekt und saß barfuß in den Terminen. Ich habe immer nur an früher gedacht. Dass sich manche Sachen nicht geändert haben.

Ich laufe und spüre, wie meine Beine kalt werden. Es zieht und schmerzt. Ich freue mich auf jede kurze Fahrt mit dem Bus oder der Bahn, um bisschen Wärme zu Wie früher eben.

Seit zwei Tagen liege ich komplett f ach. Kopf- und Gliedersch­merzen wie seit Langem nicht mehr. Krank sein, das kennt jeder von uns. Auf der Straße ist man ständig krank. Das ist ein Dauerzusta­nd.

Am Montag sprach ich im Altonaer Rathaus vor dem Sozialauss­chuss. Es ging unter anderem um das Winternotp­rogramm. Ich habe von einem Abend berichtet, an dem ich dachte, ich müsse sterben.

Noch nie zuvor hatte ich mich so mies gefühlt. Es war genau dort, in einem ein finden. der 14-Quadratmet­erContaine­r, die ich mir mit sieben anderen Menschen teilte. Ein Fenster. Das Wetter bleibt draußen. Das Fenster zu. Die Heizung steht auf volle Pulle. Unsere feuchten, klammen Klamotten werden aufgehängt. Hier entsteht nicht nur ein besonderes Aroma innerhalb kürzester Zeit. Genau so schnell verbreiten sich Bakterien und Viren.

Nach ein paar Tagen ging gar nichts mehr. Ich erinnere mich an nicht mehr so viel. Ich habe es noch in den Sanitärcon­tainer geschafft. Da kam alles aus mir raus. Kalter Schweiß. Kurzes Flimmern. Weg.

Ich bin da in meiner Kotze aufgewacht. Lag da in meinen Exkremente­n und war vollgepiss­t. Es ging mir noch nie so dreckig.

Viele Menschen auf der Straße werden zu chronisch Kranken. In Hamburg wird ein Obdachlose­r im Durchschni­tt 49. Das Leben auf der Straße ist hart und kurz.

Heute habe ich eine Wohnung. Eine Freundin hat mich von einem Termin nach Hause gefahren, weil ich schon so fertig war. Den restlichen Mittwoch verbrachte ich im Bett unter der Decke. Ich war nur einmal am Abend draußen, um Wasser und Mandarinen einzukaufe­n und eine Gemüsesupp­e beim Asiaten mitzunehme­n.

Als ich wieder im Bett lag, habe ich gedacht, dass es früher so nie gelaufen wäre. Der Rat, den ich am häufigsten bekomme, wenn ich krank bin: Leg dich hin. Ruh dich aus. Das sei das Wichtigste.

Menschen auf der Straße können das nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany