Klassik für HarryPotter-Fans
Künstliche Intelligenz komponiert Schluss für Schuberts unvollendete Sinfonie. Die MOPO war bei der Uraufführung
Ein Handy-Konzern sagt, er habe mithilfe Künstlicher Intelligenz eine fast 200 Jahre alte unvollendete Sinfonie zu Ende komponiert. Zur Uraufführung in London waren Journalisten und vor allem Inf uencer aus ganz Europa eingeladen. Die MOPO am Sonntag war auch dabei.
Huawei sorgt für Schlagzeilen. Die Finanzchefin des chinesischen Handy-Konzerns wurde jüngst in Kanada festgenommen, soll an die USA ausgeliefert werden. Dort drohen Meng Wanzhou 30 Jahre Haft. Der Vorwurf: Industriespionage. Auch Angela Merkel äußerte sich jüngst über den Konzern. Man könne sich eine Zusammenarbeit beim Ausbau von 5G-Netzen vorstellen, aber nur wenn Garantien gegeben würden, dass keine Handydaten an den chinesi
h n h n
In Großbritanniens PromiSzene gibt es da deutlich weni ger Berührungsängste. Vergangenen Montag im Londoner Stadtteil Westminster: Blitzlichtgewitter vor der Ca dogan Hall. Pressefotografen rufen YouTube- und Insta gram-Stars zu, Fans bitten um Selfies. Der Anlass: ein Klas sik-Konzert – die siebte Sinfo nie von Franz Schubert (1797 1828).
Das Besondere: Die hat Schubert nie vollendet. Und Huawei hat nun eine Künstliche Intelligenz (KI) drauf angesetzt. Die Software habe nun angeblich das geschafft, woran Generationen von Komponis ten gescheitert seien. Denn an jenem Montag ist Uraufführung des „richtungsweisenden Endes“. Und neben all den Inf uencer-Sternchen aus Großbritannien, Deutschland und anderen europäischen Ländern dabei: ich, der MOPOam-Sonntag-Reporter.
Zugegeben, die ganzen Inf uencer kenne ich nicht. Erst im Nachhinein erfahre ich von In r m- ffin n n h n
dass in „meiner“deutschen Gruppe unter anderem Nikeata Thompson dabei war. Bekannt aus diversen deutschen Tanzshows („Masters Of Dance“zum Beispiel) und als Laufsteg-Coach bei „Germany’s Next Topmodel“. Und dass die beiden Frauen, die vor mir sitzen, Luise (InstagramName „luiseliebt“) und Diana („doandlive“) heißen. Die meiste Zeit während des Konzerts blitzen Handys auf, werden kurze Ansagen ins Display gehaucht, Diana und Luise fotografieren sich gegenseitig.
Vorne auf der Bühne spielt das English Session Orchestra. Zunächst den ersten und den zweiten Satz der Sinfonie (offizielle Bezeichnung: „Sinfonie h-Moll, D 759“). Üblicherweise haben Sinfonien vier Sätze, die beiden letzten blieb der Wiener Komponist der Nachwelt schuldig. Bis heute. Man habe die KI mit Daten gefüttert, verrät Huawei-KI-Experte Arne
erkelmann. Klangfarbe, Tonhöhen, Takte der ersten beiden Sätze und anderer Schubertk
Heraus kamen Vorschläge, die der von Huawei gecastete Komponist, Emmy-Preisträger Lucas Cantor aus den USA, zusammengefügt hat. „Das ist nicht die einzig mögliche Version“, so Herkelmann. „Aber es ging uns darum zu zeigen, wozu KI in Zusammenarbeit mit Menschen imstande ist.“Ein KI-PR-Termin also.
„Ich glaube, Schubert würde es mögen“, sagt Komponist Cantor. Überhaupt: Ein Abend wie heute, der hätte ihm be
imm h f ll n Kl r - mals gab es noch keine KI und keine Inf uencer, aber eine Band wie Kraftwerk habe auch erst mal Abneigung erzeugt, heute sei das anerkanntes Kulturgut. Und das Besondere an der KI, so Cantor eher scherzhaft: „Anders als menschliche Mitarbeiter wird die nie müde oder hungrig, meckert nicht, arbeitet immer weiter.“Bei der Auswahl der Melodien habe er darauf geachtet, dass die typischen Schubert-Gefühle erzeugt werden. Das kann – bislang – dann doch noch nur der Mensch. Sagt auch KI-Experte Herkelmann.
Aber: Das Ganze sehe man als wichtigen Schritt für die Akzeptanz von KI. In der Rede des Westeuropa-Chefs von Huawei, Walter Ji, klingt das noch deutlich höher gegriffen: „Wir können die Welt zu einer besseren Welt machen.“KI könne helfen bei Bildung in der ärmeren Weltbevölkerung, bei der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und eben auch in Fragen der Kreativität. „Dies ist nur der Anfang.“Und wenn m n mi KI h ff n h1 Jahren Schuberts Siebte zu vollenden – „was sonst ist dann noch alles für Menschen möglich?“
Dann beginnt das Konzert. Das Orchester spielt die ersten beiden Sätze. Auf der Bühne gibt es die ersten Show-Lichteffekte, Laserschwert-artige Röhren leuchten zwischen den Musikern. Und in der Halle leuchtet’s eh: Handydisplays. Obwohl die Moderatorin noch gescherzt hatte: „Handys bitte aus! Es sei denn, sie sind von Huawei.“Natürlich ist es in dem Fall im Sinne des Erfinders, dass die YouTube- und Instagram-Stars ihren Fans berichten. Gute Werbung für Huawei und KI im Allgemeinen einerseits. Werbung für klassische Musik bei jungen Leuten andererseits. Vielleicht könnte hier wirklich die Stärke des Konzepts liegen.
Das Problem: Die Komposition klingt nicht nach Schubert. Einzelne Versatzstücke ja. Aber Komponist Cantor macht normalerweise Filmmusik. Und das Orchester spielt n rm l r i Filmm ik Das Ganze klingt irgendwie ... nach Filmmusik. Beim zweiten Satz habe ich ständig „Harry Potter“-Assoziationen. Stelle mir vor, dass jetzt gleich kleine Zauberer auf Besen durch die Gegend f iegen und Quidditch spielen. Der vierte Satz: eine Mischung aus „Star Wars“(wahrscheinlich verstärkt durch die „Laserschwerter“und das riesige Huawei-Logo über der Bühne – erinnert ans „Imperium“) und „Herr der Ringe“-Endschlacht. Viel zu bombastisch alles, nicht so fein, wie man es erwartet hätte bei einer zu Ende komponierten Schubert-Sinfonie.
Dem Publikum gefällt’s. Standing Ovations gibt es am Schluss von den 500 Inf uencern und Journalisten. Der Versuch, mit KI klassische Musik zu komponieren, der ist wohl noch ausbaufähig. Was der Abend geleistet hat: Einige Menschen für Schubert zu begeistern, die den vermutlich noch nicht so auf dem Schirm hatten. Auch schon was.
Wir wollen zeigen, wozu Künstliche Intelligenz in Zusammenarbeit mit Menschen imstande ist. Arne Herkelmann