Haarscharf an einer Katastrophe vorbei! Seiten 6/7
Container-Riese (400 Meter) zerquetscht HVV-Fähre (25 Meter) +++ Kapitän im Krankenhaus +++ Wie es zu der Havarie kommen konnte
Das hätte in einer Katastrophe enden können: Das riesige Containerschiff „Ever Given“hat am Sonnabend die kleine Hafenffähre „Finkenwerder“am Anleger Blankenese zerquetscht. Viel deutet mittlerweile darauf hin, dass der starke Wind den Crash verursacht hat – und nur der Zufall ein größeres Unglück verhindert hat. Sonnabend, kurz vor zehn Uhr am Vormittag. Mit einem Mal gerät die „Ever Given“der taiwanesischen Reederei Evergreen aus der Fahrrinne. Immer näher kommt der 400 Meter lange Riesenpott dem Ufer. Bedrohlich nah taucht er plötzlich vor dem Anleger Blankenese auf, wo gerade die Hadag-Fähre „Finkenwerder“(25 Meter lang) liegt. Dann knallt es. Die Fähre wird massiv beschädigt, Aufbauten werden tief eingedrückt, Scheiben zerspringen.
Glück im Unglück: Trotz des Linienbetriebs waren gerade keine Passagiere an Bord. Sonst hätte die Kollision möglicherweise verheerende Folgen gehabt. Dennoch: Drei Besatzungsmitglieder erleiden einen schweren Schock, der Kapitän wurde vorsorglich in ein Krankenhaus gebracht.
Auch der Ponton wird beschädigt. Die Polizei stellt einen Riss fest und sperrt den Anleger, auf dem sich auch zwei Restaurants befinden, für eine unbestimmte Zeit. Es fehlten also nur ein paar Meter, und der Frachter hätte den ganzen Ponton mitgerissen.
Ersten Schätzungen zufolge geht der Schaden in die Hunderttausende. Allein die „Finkenwerder“sei ein „wirtschaftlicher Totalschaden“, sagt ein Polizeisprecher.
Die Ermittlungen zur Unfallursache laufen. Beamte der Wasserschutzpolizei gingen unmittelbar nach dem Unglück an Bord und fuhren bis nach Rotterdam mit, um eine Chronologie der Beinahe-Katastrophe zu erstellen. Erste Ergebnisse sollen am Montag bekannt gegeben werden.
Ersten Berichten zufolge sollte die Ruderanlage ausgefallen sein. Doch das wurde später zurückgenommen. Auch ein Maschinenausfall kommt als Erklärung infrage. Vieles deutet jedoch auf die speziellen Wetterbedingungen hin.
Zum Zeitpunkt der Kollision herrschte Windstärke sieben vor Blankenese – bei Böen der Stärke acht! Offenbar zu viel für ein Schiff mit Ausmaßen der „Ever Given“.
Denn auf Höhe Blankenese fahren die Frachter üblicherweise mit sechs Knoten – zu langsam, um Starkwinde „abzuwettern“, wie es in der Sprache der Seefahrt heißt.
Hinzu kam: Der Wind blies aus Süd-West, also schräg von der Seite – und drückte das hohe Schiff Richtung nördliches Elbufer.
Obwohl zur Unterstützung des Kapitäns zwei Lotsen an Bord waren, wie es in Hamburg vorgeschrieben ist, und obwohl der Frachter am Schlepper hing – bei starken Böen sind die hohen Schiffe sehr anfällig und laut Insidern schwer zu kontrollieren.
„Das ist wie Glatteis beim Autofahren“, erklärt ein erfahrener Lotse gegenüber der MOPO. „Da kann man nur noch Glück haben.“
Auch der Schlepper kann dabei nichts retten. Denn jede Kursänderung kommt auf der Seekarte des Bugsier-Boots hinten mit Verzögerung an. „Da noch gegenzusteuern ist schwer möglich“, erklärt ein Schlepper-Kapitän. Im Übrigen handele man nur auf Anweisung des Kapitäns bzw. des Lotsen auf dem Großschiff. Rein theoretisch könnte also auch die Kommunikation zwischen der „Ever Given“und dem Schlepper ein Teil des Problems gewesen sein.
Möglicherweise war es eine Aneinanderreihung verschiedener Ereignisse. Hadag-Chef Tobias Haack: „Wichtig ist vor allem, dass keine Personen zu Schaden gekommen sind.“