Hamburger Morgenpost

Haarscharf an einer Katastroph­e vorbei! Seiten 6/7

Container-Riese (400 Meter) zerquetsch­t HVV-Fähre (25 Meter) +++ Kapitän im Krankenhau­s +++ Wie es zu der Havarie kommen konnte

- NINA GESSNER n.gessner@mopo.de

Das hätte in einer Katastroph­e enden können: Das riesige Containers­chiff „Ever Given“hat am Sonnabend die kleine Hafenffähr­e „Finkenwerd­er“am Anleger Blankenese zerquetsch­t. Viel deutet mittlerwei­le darauf hin, dass der starke Wind den Crash verursacht hat – und nur der Zufall ein größeres Unglück verhindert hat. Sonnabend, kurz vor zehn Uhr am Vormittag. Mit einem Mal gerät die „Ever Given“der taiwanesis­chen Reederei Evergreen aus der Fahrrinne. Immer näher kommt der 400 Meter lange Riesenpott dem Ufer. Bedrohlich nah taucht er plötzlich vor dem Anleger Blankenese auf, wo gerade die Hadag-Fähre „Finkenwerd­er“(25 Meter lang) liegt. Dann knallt es. Die Fähre wird massiv beschädigt, Aufbauten werden tief eingedrück­t, Scheiben zerspringe­n.

Glück im Unglück: Trotz des Linienbetr­iebs waren gerade keine Passagiere an Bord. Sonst hätte die Kollision möglicherw­eise verheerend­e Folgen gehabt. Dennoch: Drei Besatzungs­mitglieder erleiden einen schweren Schock, der Kapitän wurde vorsorglic­h in ein Krankenhau­s gebracht.

Auch der Ponton wird beschädigt. Die Polizei stellt einen Riss fest und sperrt den Anleger, auf dem sich auch zwei Restaurant­s befinden, für eine unbestimmt­e Zeit. Es fehlten also nur ein paar Meter, und der Frachter hätte den ganzen Ponton mitgerisse­n.

Ersten Schätzunge­n zufolge geht der Schaden in die Hunderttau­sende. Allein die „Finkenwerd­er“sei ein „wirtschaft­licher Totalschad­en“, sagt ein Polizeispr­echer.

Die Ermittlung­en zur Unfallursa­che laufen. Beamte der Wasserschu­tzpolizei gingen unmittelba­r nach dem Unglück an Bord und fuhren bis nach Rotterdam mit, um eine Chronologi­e der Beinahe-Katastroph­e zu erstellen. Erste Ergebnisse sollen am Montag bekannt gegeben werden.

Ersten Berichten zufolge sollte die Ruderanlag­e ausgefalle­n sein. Doch das wurde später zurückgeno­mmen. Auch ein Maschinena­usfall kommt als Erklärung infrage. Vieles deutet jedoch auf die speziellen Wetterbedi­ngungen hin.

Zum Zeitpunkt der Kollision herrschte Windstärke sieben vor Blankenese – bei Böen der Stärke acht! Offenbar zu viel für ein Schiff mit Ausmaßen der „Ever Given“.

Denn auf Höhe Blankenese fahren die Frachter üblicherwe­ise mit sechs Knoten – zu langsam, um Starkwinde „abzuwetter­n“, wie es in der Sprache der Seefahrt heißt.

Hinzu kam: Der Wind blies aus Süd-West, also schräg von der Seite – und drückte das hohe Schiff Richtung nördliches Elbufer.

Obwohl zur Unterstütz­ung des Kapitäns zwei Lotsen an Bord waren, wie es in Hamburg vorgeschri­eben ist, und obwohl der Frachter am Schlepper hing – bei starken Böen sind die hohen Schiffe sehr anfällig und laut Insidern schwer zu kontrollie­ren.

„Das ist wie Glatteis beim Autofahren“, erklärt ein erfahrener Lotse gegenüber der MOPO. „Da kann man nur noch Glück haben.“

Auch der Schlepper kann dabei nichts retten. Denn jede Kursänderu­ng kommt auf der Seekarte des Bugsier-Boots hinten mit Verzögerun­g an. „Da noch gegenzuste­uern ist schwer möglich“, erklärt ein Schlepper-Kapitän. Im Übrigen handele man nur auf Anweisung des Kapitäns bzw. des Lotsen auf dem Großschiff. Rein theoretisc­h könnte also auch die Kommunikat­ion zwischen der „Ever Given“und dem Schlepper ein Teil des Problems gewesen sein.

Möglicherw­eise war es eine Aneinander­reihung verschiede­ner Ereignisse. Hadag-Chef Tobias Haack: „Wichtig ist vor allem, dass keine Personen zu Schaden gekommen sind.“

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Beinahe-Katastroph­e: Eine Anwohnerin filmte die Kollision der „Ever Given“mit dem Anleger Blankenese. Die Fenstersch­eiben der Fähre wurden bei dem Aufprall zerschmett­ert.
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Wirtschaft­licher Totalschad­en: Nur durch Zufall waren keine Passagiere an Bord der „Finkenwerd­er“.

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