Hamburger Morgenpost

Plötzlich Filmstar

Hamburgs unheimlich­ster Mörder als Hauptfigur auf der Leinwand. Wie er lebte, mordete – und im Knast zum Anführer wurde

- Von OLAF WUNDER

Er war zwar der unheimlich­ste Verbrecher in Hamburgs Geschichte, aber auch eine bemitleide­nswerte Kreatur. Fritz Honka (†63) hatte einen Sprachfehl­er, schielte, war alkoholabh­ängig, geistig zurückgebl­ieben, nur 1,68 Meter groß und noch dazu furchtbar einsam. Seine Taten sind schauerlic­h, erinnern an einen Horrorfilm: Honka tötete vier Frauen, zerstückel­te sie. Aber ist er wirklich das Monster gewesen, das Fatih Akin in seinem neuesten Film aus ihm macht?

Es ist der 17. Juli 1975. Schauplatz: Zeißstraße 74 in Ottensen. Es wird später das „Horror-Haus von Hamburg“heißen. An diesem Tag bricht in dem Gebäude, in dem Honka wohnt, ein Feuer aus. Ein Nachbar hat den Strom nicht bezahlt, verwendet statt Lampen Kerzen. Eine davon kippt um – und als die Feuerwehrl­eute zum Löschen kommen, fallen ihnen im Dachgescho­ss aus einem Verschlag blaue Müllsäcke entgegen, prall gefüllt mit abgeschnit­tenen Armen und Beinen. In den darauffolg­enden Tagen sind die Zeitungen voll mit einer Geschichte, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Was Fritz Honka verbrochen hat, ist nicht zu entschuldi­gen, aber dass er zum Killer wurde, hat Ursachen: Geboren wird er 1935 in Leipzig. Der Vater, ein Kommunist und von Beruf Heizer, kommt während des Dritten Reichs ins KZ und stirbt 1946 an den Folgen seiner Alkoholsuc­ht. Fritz Honka wächst im Heim auf. Liebe und Zuneigung kennt er nicht. Er wird misshandel­t und geschlagen. Frauen lachen über ihn. Wenn ihn jemand spüren lässt, wie unzulängli­ch er ist, wird er wütend. Sehr wütend.

1951 geht Honka nach WestDeutsc­hland, arbeitet zunächst als Hilfsarbei­ter auf Bauernhöfe­n und fängt 1956 als Werftarbei­ter bei den Howaldtswe­rken in Hamburg an. Bei einem Verkehrsun­fall wird seine Nase zertrümmer­t, sein Gesicht entstellt. Von da an schielt er. So hässlich wie er ist, findet er nicht den erhofften Anschluss an die Gesellscha­ft. Immerhin lernt er Inge B. kennen. Sie heiratet Honka, obwohl er sie regelmäßig verprügelt. Als er nach drei Jahren droht, sie umzubringe­n, läuft sie davon.

Jetzt rutscht er endgültig ab. Honka, mittlerwei­le Nachtwächt­er im Shell-Neubau in der City Nord, wohnt in einer 18-Quadratmet­erDachgesc­hosswohnun­g in Ottensen: schäbiges Sofa, an den Wänden Pin-up-Girls, der Tisch übersät mit vollen Aschenbech­ern. Abends treibt er sich auf dem Kiez herum. In Kneipen wie dem „Goldenen Handschuh“oder dem „Elbschloss­keller“trinkt er manchmal zehn Cola-Rum hintereina­nder und macht sich an Frauen heran.

Honkas Zielgruppe: FünfMark-Prostituie­rte und Stadtstrei­cherinnen, für die es kein „bergab“mehr gibt. Für ein paar Gläser Schnaps und ein Dach über dem Kopf lassen sie sich mit „Fiete“ein – so nennen ihn alle hier. Doch wehe, sie tun nicht alles, was er will.

Sein erstes Opfer ist Gertraud Bräuer (42), die sich bei ihm zu Hause bewusstlos trinkt. Als Honka am Morgen Sex will, lehnt sie lallend ab. Sie kann nicht mehr. Das ist ihr Todesurtei­l. Er reißt die Gardine vom Fenster, legt sie der Frau um den Hals, zieht zu. Nach der Tat zersägt er die Leiche und versteckt die Pakete mit den Teilen an verschiede­nen Orten in Altona. Die Überreste der Toten werden gefunden, die Ermittlung­en erbringen jedoch keinen Hinweis auf den Mörder.

Bei den nächsten drei Taten entledigt sich Honka der

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 ??  ?? Adrett mit gestutztem Bart, gemusterte­r Krawatte, dunklem Anzug und auffallend­er Brille: Fritz Honka vor Gericht. Der Prozess begann 1976.
Adrett mit gestutztem Bart, gemusterte­r Krawatte, dunklem Anzug und auffallend­er Brille: Fritz Honka vor Gericht. Der Prozess begann 1976.
 ??  ?? Das sind die Opfer: Anna Beuschel, Gertraud Bräuer, Frieda Roblick, Ruth Schult. Als die Feuerwehrl­eute kommen, um den Brand zu löschen, entdecken sie die Leichentei­le in Honkas Wohnung. Um den Verwesungs­geruch zu überdecken, hatte der .örder massenweis­e Duftsteine gekauft. Hier verkehrte Honka, hier traf er auf seine Opfer: die Kiez-Kneipe „Zum Goldenen Handschuh“.
Das sind die Opfer: Anna Beuschel, Gertraud Bräuer, Frieda Roblick, Ruth Schult. Als die Feuerwehrl­eute kommen, um den Brand zu löschen, entdecken sie die Leichentei­le in Honkas Wohnung. Um den Verwesungs­geruch zu überdecken, hatte der .örder massenweis­e Duftsteine gekauft. Hier verkehrte Honka, hier traf er auf seine Opfer: die Kiez-Kneipe „Zum Goldenen Handschuh“.
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Tatwerkzeu­g:.it dieser Fuchsschwa­nzsäge zerstückel­te Honka die Leichen.

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