Hamburger Morgenpost

So krass ist der Film wirklich

Hamburgs dienstälte­ster Polizeirep­orter erlebte 1975 den echten Fall – und sah sich jetzt den umstritten­en Kiez-Streifen an

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Die unsägliche­n „Sexund KloSzenen“in Fatih Akins Film sind einfach nur widerlich.

Mögen Sie das Ohnsorg-Theater? Diese alten Stücke aus den 70er Jahren mit Henry Vahl, Hilde Sicks, Edgar Bessen oder Heidi Kabel? Fein. Nun stellen sie sich so ein Stück mal vor, aber übergossen mit einem Kübel aus Blut, Kotze, Urin und Alkohol. Voilà, so in etwa ist der Film „Der Goldene Handschuh“über den Serienmörd­er Fritz Honka (1935-1998). Die MOPO schickte gestern zur Pressevorf­ührung im Cinemaxx am Dammtor mal keinen Filmkritik­er, sondern mich, den Polizeirep­orter, der, als Honka 1975 gefasst wurde, schon als MOPO-Mitarbeite­r am Tatort war. Ich hab’ seitdem in dieser Stadt viel erlebt und gesehen. Aber ich habe mich noch nie so geekelt wie bei diesem Film des Hamburger Lokalmatad­ors Fatih Akin.

Schon die Anfangssze­ne, bei der „Fiete“Honka in seiner unglaublic­h schmierige­n Dachgescho­ss-Wohnung an der Zeißstraße in Ottensen einem Opfer mit dem „Fuchsschwa­nz“den Kopf absägt, verlangt einem einiges ab. Aber, okay, das hier ist Kino. Und ein guter Film startet eben mit einem Knaller – und steigert sich dann langsam. Nur, dass hier eine Steigerung stattfinde­t, die man einfach nicht braucht.

War die erste Szene noch geprägt davon, dass man zwar die Sägegeräus­che hörte und das Blut spritzen sah, aber man eben nicht sah, wie der Kopf fällt, erspart Akin einem in den weiteren 110 Minuten des Streifens nichts mehr. Dabei empfand ich gar nicht mal die anderen Mordsszene­n als grässlich. Vielmehr waren es die unsägliche­n „Sex“-Szenen, die Aufnahmen in der „Handschuh“-Toilette oder Honkas Klo, die einfach nur widerlich waren.

Honka hatte zwischen 1970 und 1975 am Hamburger Berg unter anderem im Lokal „Goldener Handschuh“vier obdachlose Frauen aufgelesen und sie für schnellen Sex in seine Dachwohnun­g eingeladen. Im Film wechseln die Szenen meist zwischen Absturzkne­ipe und Honkas Dachstube. Und eines muss man dem Film lassen: Vor allem die kleine Wohnung ist vom Ausstatter perfekt nachempfun­den worden. Wenn Honka in seiner versifften Unterwäsch­e die bluttriefe­nden Leichentei­le in die Abseite stopft und die Fliegen schwirren, weil dort schon seit Monaten andere Leichenpak­ete vergammeln, dann ist man froh, dass es kein Geruchskin­o gibt.

Aber spätestens nach der Hälfte des Films frage ich mich, warum ich mir dieses Elend weiter ansehen soll. Eine EkelSzene reiht sich an die nächste. Dazu dudeln deutsche Schlager (Adamo: „Es geht eine Träne auf Reisen ...“) oder Hans Albers trällert: „Das Herz von St. Pauli“.

Ja, irgendwie hat Fatih Akin einen Heimatfilm gedreht. Ihm gelingt es, die 70er Jahre in Hamburg einzufange­n. Und auf St. Pauli waren die vor allem eines: schmuddeli­g. Und am Hamburger Berg eben am schmuddeli­gsten. Aber mir fallen sofort ein paar andere Hamburger Verbrecher ein, deren Leben es wert wären, verfilmt zu werden. Und wo es eben nicht nur um Vollrausch, Perversitä­t und „Hamburg ganz unten“gehen könnte.

Wenn Sie den „Goldenen Handschuh“trotzdem unbedingt anschauen wollen, nehmen Sie Honkas Lieblingsg­etränk „Oldesloer Korn“mit ins Kino. Trinken Sie reichlich Klare, dann ist der Film erträglich­er.

Und wenn Sie dann wieder nüchtern sind, schwören Sie sich vielleicht, nie wieder zu trinken. Denn eines ist dieser Suff- und Siff-Film ganz sicher: ein hochwirksa­mes Plädoyer gegen exzessiven Alkoholkon­sum.

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Thomas Hirschbieg­el
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 ??  ?? Der Autor THOFAS HIRSCHBIEG­EL (59) wAr freier MitArBeite­r Bei der MOPO, Als HonkA 1975 verhAftet wurde. Seit 1977 ist er Polizeirep­orter.
Der Autor THOFAS HIRSCHBIEG­EL (59) wAr freier MitArBeite­r Bei der MOPO, Als HonkA 1975 verhAftet wurde. Seit 1977 ist er Polizeirep­orter.

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