Video zeigt: Darum kam es zum Schiffs-Crash
Technik, Wind und falsche Entscheidungen offenbar Ursache
NINA GESSNER TRISTAN VERGEZ-LARROUGET
Die Ermittlungen zum Schiffsunglück auf der Elbe laufen noch. Ein Video lässt nun neue Rückschlüsse zu. Möglicherweise hat der Kapitän die Windverhältnisse falsch berechnet.
Seit Tagen wird spekuliert, was die Ursache für die Kollision des Frachters „Ever Given“mit einer Hadag-Fähre war, bei der drei Menschen verletzt wurden. Es geht um die Schuldfrage. Darum, welche Versicherung den sechsstelligen Schaden zahlen muss.
Auch die Lotsen, die mit an Bord des Frachters waren, halten sich deshalb mit Äußerungen zurück. Ben Lodemann, Ältermann der Lotsenbrüderschaft Elbe, betont jedoch: „Alles, was meine Kollegen getan haben, war richtig.“An der Technik sei nichts kaputt gewesen, sagt Lodemann und beendet damit endgültig Spekulationen über einen Ausfall der Ruderanlage. Vielmehr sei es eine Kombination aus Wind, Mensch und vor allem Technik gewesen.
Vieles spricht dafür, dass alles mit der Windanzeige auf der Brücke zu tun hat. So kann der Kapitän sich den wahren Wind anzeigen lassen oder den relativen Wind, der das Verhältnis von Eigenfahrt und Wind berechnet. Je nachdem welche Daten der Kapitän sich anzeigen lässt, würde seine Reaktion unterschiedlich ausfallen. Die Möglichkeit, sich beide Varianten gleichzeitig anzeigen zu lassen, wird oft nicht wahrgenommen.
Oder war es der Windmesser? Aufbauten am Schiff können den Luftstrom verwirbeln und die Messung verfälschen. Der Kapitän erhält keine zuverlässige Anzeige.
Ein Video des Unternehmens Vesseltracker gibt Einblicke, was an Bord gelaufen sein könnte. So liegt die „Ever Given“zunächst korrekt im Kurs. Der Kapitän berücksichtigt den Wind und steuert das Schiff mit Vorhaltewinkel. Heißt: Der Bug ist leicht nach Backbord geneigt.
Vor Teufelsbrück gibt es die erste Kursänderung. Jetzt liegt das Schiff gerade und driftet aufgrund des zu diesem Zeitpunkt bereits starken Windes von fast Stärke sieben nach rechts ab.
Erst vor dem Blankeneser Segelclub reagiert der Kapitän. Möglicherweise weil er sieht, dass der Anleger sich gefährlich nähert. Es folgt eine starke Kursänderung nach Backbord. Folge: Das Heck des Schiffes kracht in den Anleger.
Unklar ist, wie viel Erfahrung der erst 39 Jahre alte Kapitän aus Asien hat. Möglicherweise ist er bisher auf Schiffen gefahren, welche die Brücke hinten am Schiff hatten. So hat er eventuell vergessen, dass hinter ihm noch 300 Meter Rumpf liegen und das Heck ausschwenken würde.