Hamburger Morgenpost

Ist das Kunst oder kann das weg?

Vier Jahre nach dem Tod der Sprayer-Legende „OZ“– Zahl der Delikte in Hamburg unveränder­t hoch

- OLIVIER DAVID Olivier.David@mopo.de

Graffiti – für die einen Schandflec­k, Vandalismu­s, Sachbeschä­digung. Für andere Ausdruck eines Lebensgefü­hls und legitime Provokatio­n – oder schlicht Kunst. Doch wie ist es rund vier Jahre nach dem Tod von Hamburgs bekanntest­em Sprayer „OZ“(†64) um die Graffiti-Hochburg Hamburg bestellt? Eine Spurensuch­e.

Mehr als 120 000 sogenannte Tags hatte OZ zu Lebzeiten gemalt, so wird geschätzt. Ob entlang der S-BahnSchien­en, an Stromkäste­n oder auf Häuserfass­aden: Kaum ein Platz im Stadtgebie­t ist verschont geblieben von der Hand des notorische­n Malers.

OZ, bürgerlich Walter Josef Fischer, saß mehrfach im Gefängnis, doch nichts konnte seine Mal-Wut mindern. Ausgerechn­et ein Zug beendete die umstritten­e Karriere von Hamburgs bekanntest­em Sprayer.

Wie hat sich die Szene seither entwickelt? Glaubt man dem Street-Art-Experten Marco Alexander Hosemann, kann von einem Ende des bunten Booms keine Rede sein. „Graffiti und StreetArt nehmen zu“, sagt er. Die Szene sei „schön, bunt und vielfältig, so wie unsere Stadt“, sagt der 34-jährige Szene-Kenner. Die genauen Zahlen von aktiven Sprayern zu ermitteln bleibt schwer, aus Furcht vor Repression gilt die Szene als verschwieg­en.

Aus einer kleinen Anfrage der CDU geht hervor: Im Zeitraum von Januar bis September 2018 gab es 2401 erfasste Fälle von illegal angebracht­em Graffiti in Hamburg. Die Dunkelziff­er dürfte dabei deutlich höher liegen. Klingt viel? Nicht so für die Hamburger Polizei. Vorbei sind die Zeiten einer eigenen „Graffiti-Soko“. Doch in deren Auflösung Indizien für ein Heruntersp­ielen der Problemati­k zu sehen, greift zu kurz.

Auch bei der Deutschen Bahn, der Betreiberg­esellschaf­t der S-Bahn, ist niemandem zum Lachen zumute. „Der Schaden, der uns bundesweit durch Graffiti entsteht, belief sich im Jahr 2016 auf knapp 34 Millionen Euro“, erklärt S-Bahn-Sprecher Christoph Ross. Für Hamburg bedeutet das im Jahre 2018 immerhin 1,3 Millionen Euro.

Doch warum immer Züge? „Das Bemalen von Zügen ist die Königsdisz­iplin im Graffiti“, erklärt Hosemann. „Jeder Writer träumt davon, seine Buchstaben auf einem Zug durch die Stadt fahren zu sehen.“

Und genau das weiß man auch bei der Bahn: „Um das Erfolgserl­ebnis der Sprayer zu schmälern, beseitigt die Deutsche Bahn die Schäden möglichst innerhalb von 24 bis 72 Stunden“, heißt es auf MOPO-Nachfrage. Dennoch sind gerade jetzt bunte SBahnen in der Stadt eher Gewohnheit als Ausnahme.

In den letzten Jahren hat sich im Stadtbild dennoch einiges geändert: Street-Art

Jeder Writer träumt davon, seine Buchstaben durch die Stadt fahren zu sehen. Marco Alexander Hosemann

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Ob Fluch oder Segen: Bilder wie dieses finden sich im gesamten Stadtgebie­t.
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Mit einer Schablone wurde dieses sozialkrit­ische Bild an die Wand gebracht.
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