Hamburger Morgenpost

„In der Natur wäre Bili tot“

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WUPPERTAL – Seit seiner Übersiedlu­ng aus Frankfurt quälen Bili blutige Bisswunden und harte Attacken: Die Integratio­n des Affen in die Bonobo-Gruppe im Wuppertale­r Zoo sorgt bundesweit für Gesprächss­toff und bringt besorgte Tierschütz­er bei Demos für Bili auf die Barrikaden. Die MOPO sprach mit dem Zoo-Direktor Arne Lawrenz über die Hintergrün­de des Falles um den gemobbten Affen und darüber, warum er sogar die Polizei einschalte­n musste.

MOPO: Herr Lawrenz, zunächst einmal: Wie geht es Bili?

Arne Lawrenz: Äußerlich hat er noch eine Wunde am Zeh, die behandelt wird. Aktuell versuchen wir, etwas Ruhe hereinzubr­ingen, indem wir ihm immer wieder Auszeiten geben und ihn mit einzelnen Partnern zusammen abtrennen, damit er nicht der gesamten Gruppendyn­amik ausgesetzt ist. Es ist ähnlich wie bei uns Menschen: Auch Bonobos fühlen sich nicht so stark, wenn sie nur zu zweit oder zu dritt sind. So gehen sie Bili nicht so hart an. Uns geht es auch darum, dass er so Freundscha­ften und Beziehunge­n knüpft. Wie wäre solch eine Integratio­n in freier Wildbahn abgelaufen?

In der Natur ist es so, dass ein Bonobo-Mann so lange wie möglich versucht, sich an seine Mutter zu halten, die ihm auch in der Gruppe Schutz bietet. Bei Bili, der ja im Frankfurte­r Zoo von seiner Mutter nicht angenommen wurde, wäre es dann so abgelaufen, dass er nach drei, vier Tagen liegen geblieben und gestorben, wahrschein­lich sogar gefressen worden wäre. In jedem Fall ist es die Pflicht eines Bonobo-Mannes, sich in die Gruppe zu integriere­n.

Warum musste Bili überhaupt nach Wuppertal umziehen?

Er konnte aus Gründen der Inzucht nicht mehr im Frankfurte­r Zoo bleiben. Da das Erhaltungs­zuchtprogr­amm aber auf die wichtigen Gene von Bili nicht verzichten will, hat die Spezialist­en-Gruppe entschiede­n, ihn zur Zucht nach Wuppertal zu schicken. Wobei man sagen muss, dass auch dort in Hessen nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen war. Auch hier war er das letzte Glied in der Kette und wurde attackiert.

Diese Attacken sind Ungewöhnli­ches? also nichts Ja. Auch vor meiner Zeit wurden hier und in anderen Zoos Bonobos in bestehende Gruppen integriert und auch hier kam es zu blutigen Übergriffe­n. Das hat kaum Aufmerksam­keit erzeugt und ist für die Tiere auch nicht so schlimm, wie es aussieht, weil sie sehr gutes Heilfleisc­h haben. Warum wird Bili attackiert und gibt es dafür einen Auslöser? Wir glauben, dass der Grund der Aggression­en stark mit der Einglieder­ung in die soziale Rangfolge der Bonobo-Gruppe zu tun hat. Denn was wir im Moment bei uns im Menschenaf­fenhaus beobachten, ist, dass die männlichen Zwillinge des ranghöchst­en Weibchens, vermenschl­icht gesagt, um ihren Status fürchten und in Bili Konkurrenz sehen.

Was würde passieren, wenn Bili jetzt wieder aus der Gruppe herausgeno­mmen würde?

Aus unserer Sicht ist das im Moment alles noch relativ „normal“. Aktuell sehen wir zunehmend mehr positive als negative Interaktio­nen. Stand jetzt denken wir, dass das mit der Integratio­n also gut funktionie­rt. Ob es dann auch wirklich so bleibt, kann keiner vorhersage­n. Wenn ich jetzt sagen würde: „Das klappt auf jeden Fall“, dann wäre dies am Ende absolut unseriös. Aber: Wenn wir an einem Punkt sehen, dass es keine positiven Signale mehr gibt und die Gruppe Bili aufgibt, dann gibt es hier schon Optionen. Entweder muss Bili wieder abgegeben werden oder wir müssen die Gruppe in Wuppertal umstruktur­ieren.

Wie haben Sie die öffentlich­en Reaktionen wahrgenomm­en?

Natürlich machen ich als Tierarzt und meine Tierpflege­r uns Gedanken, wenn ein Tier gebissen wird. Das findet keiner schön, aber wir haben damit gerechnet. Womit wir nicht gerechnet haben ist, dass der Fall so extrem hochkocht und die Menschen so emotionali­siert, dass sie nicht mehr auf Fakten hören wollen. Diese Emotionali­tät kann ich sogar verstehen. Auch vor diesem Hintergrun­d ist uns sehr daran gelegen, so transparen­t wie möglich zu sein. So haben wir das Affenhaus nicht geschlosse­n und halten Bili auch nicht hinter den Kulissen.

Sie wurden bedroht?

Ja, teilweise schwer. Wobei ich hoffe, dass diese Leute das einfach so dahersagen. Nichtsdest­otrotz kann ich so etwas nicht zulassen, weshalb ich auch zum Schutz meiner Mitarbeite­r Polizei und Staatsanwa­ltschaft eingeschal­tet habe.

DAS INTERVIEW FÜHRTE JONAS MEISTER

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 ??  ?? Die MOPO traf ZooDirekto­r Dr. Arne Lawrenz im Affenhaus, wo Bili rund um die Uhr mit Kameras beobachtet wird.
Die MOPO traf ZooDirekto­r Dr. Arne Lawrenz im Affenhaus, wo Bili rund um die Uhr mit Kameras beobachtet wird.
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