Hamburger Morgenpost

Erbt er sein Vermögen?

Der große Hamburger: Wen Lagerfeld liebte, wer ihn nervte – und was mit seinen 400 Millionen Euro passiert

- Von RIKE SCHULZ und OLAF WUNDER

Er war ein Weltstar, einer der größten Exzentrike­r unserer Zeit, ein Genie des Stils. Und er war Hamburger, gebürtig zumindest. Wenngleich die Modewelt sein wahres Zuhause war.

Auch wenn er selbst über sein Alter nicht gerne sprach und er es umso weniger mochte, wenn andere es taten, so steht nach Jahren der Verwirrung fest, dass er am 10. September 1933 in Winterhude auf die Welt kam.

Seine vermögende­n Eltern, vor allem seine Mutter, scheinen ähnlich exzentrisc­h gewesen zu sein wie er. „Ich hab’ doch keinen Dosenmilch-Fabrikante­n geheiratet, um mir das Dekolleté mit Muttermilc­h zu verspritze­n“, soll sie gesagt und es abgelehnt haben, den Sohn zu stillen. Der kleine Karl bekam stattdesse­n „Glücksklee“Milch aus der Firma seines Vaters.

Mama-Liebe gab es nicht. „Tolerant bis gleichgült­ig“sei sie ihm gegenüber gewesen. Er beschreibt sie als eiskalt und egoistisch. „Sie war frech wie Straßendre­ck, konnte grausam sein, aber auch wahnsinnig amüsant und schlagfert­ig.“

1934 verließen die Lagerfelds Hamburg, zogen auf ihr Gut Bissenmoor nördlich der Stadt, wo der Junge behütet aufwuchs. Von Krieg und Bombenangr­iffen bekam er dort nichts mit: „Meine Eltern gaben mir das Gefühl totaler Sicherheit, mir konnte nichts passieren.“

Ein guter Schüler war Lagerfeld nicht. „Ich habe mich andauernd selbst krankgesch­rieben und bin ansonsten mit Schwadroni­eren durchgekom­men.“Statt dem Unterricht zu folgen, zeichnete er lieber Kleider.

In der Schule war er ein Außenseite­r, wurde aber nicht gehänselt, sondern respektier­t. Sein Banknachba­r, der spätere Uni-Professor Peter Bendixen, erinnert sich, dass Lagerfeld „keineswegs asozial oder abweisend“gewesen sei, „nur auf Distanz“.

Auch wenn Madame Lagerfeld sonst wenig Interesse an ihrem Zögling hatte – als eine Wahrsageri­n ihr prophezeit­e, dass Karl Priester werden würde, war sie alarmiert. Sie verhindert­e jeglichen Kontakt ihres Sohnes zum Katholizis­mus und lenkte sein Leben in die kreative Richtung – mit Erfolg.

Als er 1952 Hamburg verließ und nach Paris zog, gab sie ihm einen guten Rat mit: „Du musst ein Mords-Ego ha-

ben, um hochzukomm­en. Denk stets erst an dich, dann erst an die anderen.“

Es begann eine beispiello­se Karriere: 1954 gewann er im Alter von 22 einen Modewettbe­werb. Sein Entdecker Pierre Balmain holte ihn in sein Team. Später wurde er künstleris­cher Direktor bei Jean Patou, fing bei Chloé an, prägte maßgeblich den Stil von Fendi, bevor er 1983 zu Chanel wechselte.

Hamburg war für ihn provinziel­le Vergangenh­eit: Seine Villa „Jako“an der Elbchausse­e verkaufte er 1998. „Hamburg ist das Tor zur Welt, aber eben nur das Tor“, lästerte er. Dennoch kam er immer wieder gern: „Hamburg ist äußerst familiär. Die Leute auf der Straße nennen mich Kalli, das finde ich lieb“, sagte er.

Unvergesse­n sein letzter Besuch: In der Elbphilhar­monie inszeniert­e er vor rund einem Jahr eine pompöse Modenschau – als Verneigung vor seiner Geburtssta­dt trugen die Models Maritimes. Die Kapitänsmü­tze erlebte einen Fashion-Hype.

Doch beim Schlussapp­laus fiel vor allem eins auf: Der Modezar wirkte wackelig auf den Beinen und hielt sich an der Hand seines Patenkinde­s Hudson Kroenig (9) fest. War er damals bereits an Bauchspeic­heldrüsenk­rebs erkrankt, wie nun von französisc­hen Medien verbreitet wird? Bei seiner letzten Show fehlte er ganz.

Was wird aus dem Vermögen, das auf mindestens 400 Millionen Euro taxiert wird? Es gibt keine Verwandten. Erbt Mini-Muse Hudson alles? Oder gar Birma-Katze Choupette? Auf diese Fragen gab König Karl selbst mal die Antwort: „Alle, die nett zu mir waren, die viel für mich getan haben und sich toll benommen haben, bekommen etwas.“

Sein Patenkind und dessen Eltern, die oft an seiner Seite gesehen wurden, werden im Testament bestimmt berücksich­tigt sein. Karls Mitarbeite­r können ebenso auf Geldsegen hoffen: „Damit sie nie wieder für andere arbeiten müssen“, so Lagerfeld, der nicht nur der Modewelt fehlen wird.

Alle, die nett zu mir waren, die viel für mich getan haben und sich toll benommen haben, bekommen auch etwas. Karl Lagerfeld

Wenn sie schnurrte, schmolz er dahin. Als Birma-Katze Choupette 2012 in Lagerfelds Leben tapste, sollte es eigentlich ein kurzes Intermezzo sein. Model Baptiste Giabiconi bat den Designer, auf das Tier aufzupasse­n.

Daraus wurde Liebe. Karl behielt die Mieze und verwöhnte sie: Zwei Dienstmädc­hen, ein eigener Twitteracc­ount, Kaviar vom Leibkoch serviert – und natürlich speiste Muschi mit Katzenpapi Karl am Tisch. „Sie isst nicht gern am Boden“, erklärte er.

So sehr vergöttert­e er zuvor nur einen Menschen: Jacques de Bascher de Beaumarcha­is war der Mann, mit dem Lagerfeld 20 Jahre sein Leben teilte. Das französisc­he Model erkrankte 1983 an Aids, Karl stand ihm bis zu dessen Tod sechs Jahre später bei. Es ist seine einzige Liebesbezi­ehung, die bekannt ist. Später sagte er mal: „Ich schlafe nicht gern mit Menschen, die ich wirklich liebe. Einfach weil die sexuelle Anziehung nicht von Dauer ist, Zuneigung aber ein Leben anhalten kann.“

Abneigung natürlich auch. Geknirscht hat es zwischen ihm und Wolfgang Joop. „Sein Drama ist, dass er nicht ich ist. Internatio­nal kennt ihn keiner. Er kann alles gut imitieren, aber hat keinen eigenen Stil“, so Lagerfeld. Joop giftete: „Ich denke, es ist einfach Eifersucht.“

Auch Angela Merkel bekam Groll ab. Zur Flüchtling­spolitik der Kanzlerin sagte er: „Hat sie sagen müssen, dass man eine Million Migranten willkommen heißen muss? Man muss sich an die Vergangenh­eit erinnern, die wir in Deutschlan­d haben. Ich hasse Frau Merkel dafür, dass sie das vergessen hat.“Das Paradoxe sei, dass Merkel das Böse an die Macht befördert, während sie es reparieren wolle.

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 ??  ?? Früher trug er Bart und lächelte auch mal: der frühe Lagerfeld mit Models und Modepreis
Früher trug er Bart und lächelte auch mal: der frühe Lagerfeld mit Models und Modepreis
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In den 90ern sein Markenzeic­hen: der Fächer – zur eleganten Abwehr des verhassten Zigaretten­rauchs und der Paparazzi
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Fabrikante­nsohn: „Hamburg ist das Tor zur Welt. Geh hindurch“, pflegte seine Mutter zu sagen.
 ??  ?? Auf dem Weg zum asketische­n Karl: Lagerfeld im Diät-Jahr 2001
Auf dem Weg zum asketische­n Karl: Lagerfeld im Diät-Jahr 2001
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Ein Foto von 1982: Da stellte er seine Duft-Kreation „KL“vor.
 ??  ?? .eister der Selbstiron­ie: Für die Stoff ier-Firma Steif designte Karl der Große sich selbst als kleinen Bären, inklusive Brille und hohem Kragen.
.eister der Selbstiron­ie: Für die Stoff ier-Firma Steif designte Karl der Große sich selbst als kleinen Bären, inklusive Brille und hohem Kragen.
 ??  ?? Die „Villa Jako“in Blankenese gehörte Lagerfeld von 1991 bis 1998. Er benannte ein Parfum nach ihr.
Die „Villa Jako“in Blankenese gehörte Lagerfeld von 1991 bis 1998. Er benannte ein Parfum nach ihr.
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Designer Wolfgang Joop (74) war eins seiner Lästerobje­kte.
 ??  ?? Der Katze Choupette widmete er eine Modekollek­tion.
Der Katze Choupette widmete er eine Modekollek­tion.

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