Vielleicht das letzte Mal in Hamburg
Folk-Sängerin Joan Baez begeistert im Mehr!-Theater
„Leute ohne Rückgrat haben wir schon zu viel“– mag Joan Baez’ Stimme bisweilen auch ein wenig brüchig klingen und nicht mehr die Höhen vergangener Tage erklimmen, ihre Haltung ist so stark und unverbrüchlich wie einst. Und so erheben sich die 2000 Besucher an diesem denkwürdigen Montagabend im Mehr!–Theater einmal mehr von ihren Sitzen und jubeln der singenden 78jährigen Politaktivistin zu.
Und sie feiern die silberhaarige Frau in schwarzer Jeans und Blazer für dieses zarte, starke Lied Bettina Wegners, das Baez ihrem alten Freund und geistigen Weggefährten Wolf Biermann widmet – gerührt winkt der 82-Jährige ihr aus der Saalmitte zu.
Vielleicht ein letztes Mal, denn sie ist auf Abschiedstournee. Seit einem Jahr nun schon – und das stets vor ausverkauften Häusern. Und auch wenn die 78-Jährige seit langem selbst keine eigenen Songs mehr komponiert – „es ging nicht mehr“– lässt doch ein jeder der Titel, ob von ihrem Part-Time-Lover Bob Dylan oder von Antony and the Johnsons, die Fans andächtig innehalten. Denn diese Ikone der Protestkultur füllt Zeilen wie Simon and Garfunkels „…but the fighter
still remains“oder John Lennons „You may say I’m a dreamer, but I’m not the only one“mit gelebter Geschichte. Haltung eben, die rar geworden ist in unserer Welt.
Und so liegt in den mehrfachen stehenden Ovationen an diesem Abend auch eine Verehrung für ihre Stärke und Unbeugsamkeit. Woody Guthries „Deportee“– ein Song über mexikanische Gastarbeiter, die bei ihrer Abschiebung starben – verbindet die US-Amerikanerin Baez mit ebenso kurzer wie klarer Trump-Kritik: „Es ist nicht an der Zeit, Mauern zu bauen, sondern den Hungernden dieser Welt zu helfen.“Und als sie am Ende samt großem Publikumschor „Sag mir, wo die Blumen sind“singt, liegt eine andachtsvolle Stimmung über den Großmarkthallen: Danke, Joan, für deine Lieder und dein Auf egehren und den Glauben an das Gute!