Die „Gorch Fock“in schwerer See
Neues Kapitel im Krimi um das Schulschiff der Marine: Werft vermeldet Insolvenz
Der Notvorstand der „Gorch Fock“-Werft in Elsfleth hat am Mittwoch beim Amtsgericht Nordenham Insolvenz angemeldet. Das bestätigte Aufsichtsratschef Pieter Wasmuth dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Seit fast fünf Monaten hätten Rechnungen über 22 Millionen Euro nicht bezahlt werden können. Als Berater werde der Hamburger Insolvenzverwalter Tobias Brinkmann eingesetzt. Brinkmann gilt als Experte für knifflige Fälle. 2018 gelang es ihm, die fränkische Jachtwerft Bavaria in ähnlicher Lage zu retten und alle 800 Jobs zu erhalten.
Pieter Wasmuth sagte dem RND, Gläubiger der Werft sowie die IG Metall hätten dem Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung zugestimmt. Es fehle noch das Ja des Amtsgerichts. „Die ,Gorch Fock‘ soll im Juni wieder im Wasser schwimmen!“
Eigentlich war geplant, das Segelschulschiff bis April wieder schwimmfähig zu machen. Bislang ist ungewiss, ob die Werft den Kostenrahmen von 128 Millionen Euro einhalten kann. Zu Beginn der Sanierung 2015 ging die Marine noch von 9,6 Millionen Euro aus. 69 Millionen Euro sind bis zum jetzigen Zeitpunkt bereits verbaut.
Der Bundesrechnungshof macht dem Verteidigungsministerium Vorwürfe: Das 60 Jahre alte Schiff sei nie komplett inspiziert worden. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) steht in der Kritik, weil sie Vorlagen persönlich abgezeichnet hatte.
„Die Hauptversäumnisse liegen im alten Vorstand“, sagte Wasmuth. Der Ex-Vorstand soll 20 Millionen Euro in eine Goldminengesellschaft in der Mongolei transferiert haben. Diese sei am Dienstag für einen Euro zurückgekauft worden. „Vielleicht finden wir noch etwas Geld.“Laut Wasmuth sollen die Ex-Vorstände allein 480000 Euro an Kreditkartenabrechnungen über die Werft laufen lassen haben. Seit 2016 soll keine Steuererklärung abgegeben worden sein.
Ende 2018 war bekannt geworden, dass ein Mitarbeiter des Marinearsenals, der für die Kostenprüfung zuständig war, einen hohen sechsstelligen Kredit von der Werftspitze bekommen hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Mitarbeiter. Nach RND-Informationen entdeckte die neue Geschäftsführung weitere Finanzabflüsse in Millionenhöhe. Vermutet wird, dass der alte Vorstand Geld über fingierte Kredite abgezweigt haben soll.
Diesen Verdacht stützt ein 27-seitiges Dossier der Hamburger Anwaltskanzlei Roxin im Auftrag zweier Töchter der ehemaligen Werftbesitzerin, das dem RND vorliegt.
Ein Ex-Vorstand ist Honorarkonsul der Mongolei. Gegen den Anwalt ermittelt seit Oktober 2018 die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue.
Das Kapital der Stiftung „Sky“, der die Werft gehört, speist sich aus Erlösen des Betriebs. Der Anwalt des Beschuldigten bezeichnete die Vorwürfe gegen seinen Mandanten als „vollumfänglich haltlos“.
Die Untreuevorwürfe „stehen auch in keinem Zusammenhang mit der Causa ,Gorch Fock‘“, so der Anwalt. Tatsächlich gehe es um Erbstreitigkeiten. Sein Mandant prüfe „rechtliche Schritte wegen übler Nachrede“. Anderslautenden Behauptungen zugrundeliegende Dokumente enthielten „falsche Zahlen und Vorwürfe“.