Hält ein Leben lang
Sie kennen sich, seit sie mit Puppen gespielt haben, vier kleine Mädchen mit Zöpfen, die im Schatten der Kirche von St. Pauli aufwuchsen. Die während des Bombenhagels im Luftschutzbunker unter dem Spielbudenplatz gegen ihre Angst ansangen und zusammen die Jungs foppten. Inzwischen sind Lore, Rosi, Ursel und Liselotte 81 Jahre alt und immer noch die besten Freundinnen.
Alle paar Monate ist „Klassentreffen“: 1953 hat das Quartett die Realschule Seilerstraße verlassen. Insgesamt kommen noch sechs der damals 43 Mädchen der Klasse regelmäßig zusammen. Die vier fidelen Damen waren aber nicht nur Klassenkameradinnen, sondern auch Nachbarskinder: „Wir sind alle in der Hamburger Hochstraße aufgewachsen“, erzählt Lore Hempel – und dann fallen die vier einander ins Wort wie aufgeregte junge Mädchen: „Eine schnalzte auf der Straße und wir kamen alle runtergelaufen.“„Wenn die Straßenbahn kam, sind wir zur Seite gesprungen.“„Und beim Fischauto haben wir immer gerufen: ,Onkel, schmeiß mal ’n Fisch runter!‘“„Und weißt du noch, wenn deine Mutter die Badewanne holte und wir alle in der Unterbüx drum herum standen?“Großes Hallo.
„Und wie wir bei schlechtem Wetter auf dem Dachboden gespielt haben?“Alle fangen an zu prusten: „Wir mussten so dolle und haben auf die Kohlen gepieschert – und meine Oma sagte dann: ,Schön, dass ihr da Wasser draufgespritzt habt, dann staubt das nicht so!‘“
Sie gruselten sich gemeinsam vor Lebertran („Wisst ihr noch, wie die Jungs eine ganze Kiste mit Lebertranflaschen auf der Straße zerdeppert haben? Wie das wochenlang stank?“), bestaunten die hübschen Damen, die auf dem Kiez am Straßenrand standen (Lore: „Mein Vater erklärte mir, dass das alles Schauspielerinnen sind“), sie spielten mit ihren Puppen dort, wo heute die Plastikpalmen von Park Fiction stehen, und wo jetzt die Autos unter dem Spielbudenplatz stehen, war der Bunker, in dem die Mädchen die Bomben einschlagen hörten: „Da träume ich heute noch davon“, sagt Lore und kurz werden alle ernst: „Diese Stunden haben uns für immer zusammengeschweißt.“
In der Schule Seilerstraße wurden Jungs und Mädchen getrennt unterrichtet – und es herrschte ein strenges Regiment: „Als wir im Musikunterricht nur mal zu den Jungs rübergeguckt haben, bekamen alle einen Tadel“, erzählt Lore, „nur fürs Gucken!“
Ein paar Jahre später gingen die Freundinnen tanzen, im Café Keese. Die temperamentvolle Rosi hat später einen der Jungs aus der Schule gegenüber geheiratet, Liselotte feiert demnächst Diamanthochzeit: „Den ersten Kuss haben wir uns heimlich auf dem Dom in der Raupe gegeben, da war ich 17.“
Dass sie einander haben, darüber sind die vier Freundinnen froh. „Wir erzählen uns jede Kleinigkeit“, sagt Lore. Und wenn sie sich sehen, dann sitzen auch immer die vier kleinen, bezopften Mädchen von einst mit am Tisch.