Teilzeit arbeiten als Vorstand? „Ja, das klappt!“
Wie Otto.de-Vorstand Katy Roewer reagiert, wenn die Kita anruf , und wie eine moderne Job-Welt aussehen muss
Eine Frau im Vorstand, das ist schon selten genug. Katy Roewer (43), im Vorstand von Otto.de für Personal und Service zuständig, arbeitet außerdem in Teilzeit – weil sie Zeit für ihren Sohn (4) haben möchte. Mit der MOPO sprach Katy Roewer über Jobangebote beim Windelnwechseln, eine neue Unternehmenskultur und warum alle Mitarbeiter sie duzen dürfen.
MOPO: Als Frau und Mutter im Vorstand – und dann noch in Teilzeit. Vor zehn Jahren hätte es eine Karriere wie Ihre vermutlich noch nicht gegeben, oder?
Katy Roewer: Zumindest war es in Deutschland nicht verbreitet, andere Länder waren da viel weiter. Als ich in Elternzeit war, hat mich der Vorstandsvorsitzende Alexander Birken angerufen und gefragt, ob mich mir vorstellen könnte, in den Bereichsvorstand von Otto zu wechseln – da war ich gerade beim Windelnwechseln. Ich sagte ihm, dass ich es mir schon vorstellen könne, aber nur unter der Bedingung, nur 80 Prozent zu arbeiten.
Und der Vorstandsvorsitzende sagte sofort: Teilzeit im Vorstand, na klar, überhaupt kein Problem?
Ich habe es ihm ausführlich erklärt. Ich möchte Mutter sein und einen Tag die Woche mit meinem Sohn verbringen, weil ich die Befürchtung habe, dass das Wochenende allein nicht reicht. Er sagte: Ich weiß, wie du arbeitest. Wir versuchen das und sind ehrlich miteinander und gucken, ob es klappt. Und es klappt.
Wie reagieren denn die anderen Kollegen in der Chef-Etage auf einen Vorstand in Teilzeit?
Mit meinen drei Kollegen habe ich von Anfang an sehr offen über mein Modell gesprochen und was sie von mir erwarten können – und was nicht. Neulich habe ich mitten in der Bereichsvorstands-Sitzung einen Anruf aus der Kita bekommen und musste los. Anschließend bin ich mit meinem Sohn eine Woche zu Hause geblieben. Die Kollegen haben mich unterstützt und bei allem auf dem Laufenden gehalten.
Bei Otto gibt es noch etwas, was früher anders war. Alle Chefs lassen sich jetzt von ihren Mitarbeitern duzen. Warum?
Das haben wir 2016 eingeführt. Damals wurde bei uns der kulturelle Wandel eingeleitet, weil wir festgestellt haben, dass die Arbeitswelt und das Miteinander sich ändern. Wir wollten Hindernisse zwischen Führungskräften und Mitarbeitern abbauen, um damit für einen Beitrag zu einer gewissen Durchlässigkeit zwischen den Hierarchien zu sorgen. Da ist das Thema Du tatsächlich ein Eisbrecher gewesen. Die Duz-Kultur führt dazu, dass man auf Augenhöhe anders miteinander kommunizieren kann.
Und nun klappt es tatsächlich besser zwischen Chefs und Mitarbeitern?
Ein Beispiel aus unseren Kundencentern, die sehr hierarchisch geprägt sind: Wenn ich vor Ort bin, trauen sich die Mitarbeiter nun, mich anders anzusprechen. Vorher haben sie sich viel genauer überlegt, ob sie eine kritische Frage stellen. Jetzt habe ich das Gefühl, dass das deutlich offener ist und zu ernsthaften Dialogen führt. Schreiben an Mitarbeiter beginnen Sie mit „Liebe Kollegen“und enden mit „Eure Katy“. Unterzeichnen Sie jetzt auch Abmahnungen und Kündigungen so?
Bei ganz formellen, arbeitsrechtlich relevanten Schreiben sind wir beim Sie geblieben.
Wie finden denn die Mitarbeiter das allgemeine Geduze?
Es gab ein paar Führungskräfte, die damit große Probleme hatten, weil sie Sorge hatten, dass sie damit weniger Akzeptanz und Durchsetzungsfähigkeit hätten – und vielleicht sogar an Macht einbüßen würden. Auch einige langjährige Mitarbeiter hatten Umgewöhnungsschwierigkeiten. Ich finde, dass das Du eine andere Offenheit ermöglicht, Respekt aber nicht verloren geht.
Und noch etwas verändert sich. Für Otto.de ist ein Neubau in Planung, in dem weder die Mitarbeiter noch die Vorstände eigene Büros haben werden. Warum? Früher hat jeder den ganzen Tag an seinem Schreibtisch verbracht. Heutzutage gibt es viele Besprechungen und Teamarbeiten – den Tag über wechselt man mehrfach den Arbeitsbereich, und der eigene Schreibtisch steht leer. Das ist schlecht für die Flächeneffizienz. Wir haben jetzt viele Räume für Besprechungen, Teamarbeit sowie Ruhezonen und Plätze für Stillarbeit geschaffen. Künftig haben die meisten Mitarbeiter keine festen Schreibtische mehr, sondern setzen sich dort hin, wo gerade Platz ist. Das gilt auch für uns Vorstandsmitglieder. Darüber werden nicht alle Mitarbeiter glücklich sein ...
Wir probieren das bereits in einem Gebäude aus, das wir gerade sanieren. Wir begleiten diesen Prozess sehr intensiv und haben von Anfang an den Betriebsrat mit ins Boot geholt. Die Pilotphase haben wir ein halbes Jahr durch ein externes Institut begleiten lassen und danach eine Befragung gemacht. Die Befragungsergebnisse waren super, haben
Ich weiß noch nicht, wo ich das Foto von meinem Sohn und meinem Mann aufstellen soll. Katy Roewer
auch Handlungsempfehlungen aufgezeigt. Die Mitarbeiter, die das System noch nicht kennen, stehen dem recht verhalten gegenüber, andere haben Angst. Das Thema ist sehr emotional. Ich finde es auch nicht schön, keinen festen Schreibtisch mehr zu haben, und weiß nicht, wo ich das Foto von meinem Sohn und meinem Mann aufstellen soll. Ich weiß aber auch, dass ich so wenig Zeit an meinem eigenen Schreibtisch verbringe, dass es Quatsch ist, daran festzuhalten.
Klingt jA Alles sChön und gut. ABer diese RAßnAhmen wurden doCh nur eingeführt, dAmit die RitArBeiter Besser ArBeiten und dAs Unternehmen dAvon profitiert.
Ja, es soll dazu dienen, dass wir als Unternehmen erfolgreich sind. Wir müssen ein attraktives Arbeitsumfeld schaffen, damit die Mitarbeiter zufrieden sind und wir neue Mitarbeiter dazugewinnen können. Die Umgebung ist aber nur ein Teil davon. Genauso wichtig ist es, dass die Mitarbeiter sich wertgeschätzt fühlen und sich einbringen können. Wir wollen sie dazu befähigen, Entscheidungen selbstständig zu treffen. Die, die es nicht gewöhnt sind, müssen wir an die Hand nehmen. Mitarbeiter ernst zu nehmen, das ist bei dem Wandel ganz entscheidend.
DAS INTERVIEW FÜHRTE SIRONE PAULS