Hamburger Morgenpost

Europawahl: Das müssen Sie wissen

Morgen hat Europa die Wahl. Lesen Sie hier, die wichtigste­n Fragen und Antworten zu der Abstimmung in 28 Ländern.

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BERLIN - Europa wählt – aber wie funktionie­rt das eigentlich? Die MOPO hat einige Fragen und Antworten darauf zusammenge­stellt. ➤ Wie sind die Parteien im Parlament organisier­t?

Die einzelnen Parteien aus den Mitgliedss­taaten der EU schließen sich in Fraktionen zusammen, die aufgrund ihrer unterschie­dlichen Herkunft und Interessen ein bisschen wie Patchwork-Familien wirken. Bislang gab es acht solcher Familien im Europaparl­ament, die größte davon ist die Europäisch­e Volksparte­i (EVP), eine Art europäisch­er Dachverban­d der konservati­ven Parteien. Einige dieser Familien wollen sich im neuen Parlament zu einer rechtspopu­listischen Allianz zusammentu­n. Dass solche Zusammensc­hlüsse zum Problem werden können, zeigt das Beispiel der europakrit­ischen Fidesz-Partei aus Ungarn. Sie ist derzeit als Mitglied der EVP suspendier­t.

➤ Wer entscheide­t, we Kommission­schef wird?

Das Konzept, dass der Spitzenkan­didat der Parteienfa­milie mit den meisten Stimmen auch der nächste Präsident der mächtigen EU-Kommission werden soll, wurde 2014 zum ersten Mal angewandt: JeanClaude Juncker von der damals siegreiche­n EVP machte das Rennen. Der Hintergeda­nke dabei ist: Die Wählerinne­n und Wähler in der EU sollen die Möglichkei­t bekommen, den Chef der Brüsseler Behörde zu bestimmen. Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron hält von dem Konzept rein gar nichts. Die Mehrheit des Parlaments wiederum will sich den Kommission­spräsident­en nicht vom Rat der Regierungs­chefs vorschreib­en lassen. Es steht also schon fest: Es wird zum Streit kommen.

➤ Gibt es eine Fünf-ProzentHür­de?

In Deutschlan­d gibt es keine Sperrklaus­el. Der Weg ist also frei für Kandidaten von Klein- und Kleinstpar­teien, ein Mandat im Europaparl­ament zu bekommen. Bei der vergangene­n Europawahl im Jahr 2014 reichte ein Stimmenant­eil von 0,6 Prozent für einen Sitz. Sieben Bewerber von Kleinparte­ien schafften es nach Straßburg. Die einst geltende Drei-ProzentHür­de bei der Europawahl hat das Bundesverf­assungsger­icht im Jahr 2014 gekippt. In Europa gibt es 14 Länder mit unterschie­dlichen Sperrklaus­eln. 14 haben keine.

➤ Ist jede Stimme zur Europawahl gleich viel wert?

Nein. Die Wahl ist frei und geheim – aber vom demokratis­chen Prinzip, das jede Stimme gleich viel zählen soll, rückt sie ab. Die Mathematik­er sprechen bei der Stimmverte­ilung zwischen den Ländern im Europaparl­ament von „degressive­r Proportion­alität“. Das heißt: Größere Staaten bekommen zwar mehr Abgeordnet­e als kleine – aber im Verhältnis ist die Stimme eines Wählers in einem kleinen Staat mehr wert. Malta erhält die zwischen den EULändern vertraglic­h vereinbart­e Mindestzah­l von sechs Parlamenta­riern. Damit vertritt ein Abgeordnet­er aus Malta 80 000 Menschen. Deutschlan­d mit seinen 83 Millionen Einwohnern stellt 96 Abgeordnet­e, ein Parlamenta­rier repräsenti­ert also etwa 860 000 Menschen.

➤ Warum wählen die Brexit-Briten mit?

So, wie es jetzt kommt, hätte es nicht kommen sollen. Am 29. März bereits hätte Großbritan­nien die Europäisch­e Union verlassen sollen. Das Europaparl­ament wäre von

751 auf 705 Sitze geschrumpf­t. 46 der 73 britischen Sitze, die durch den Brexit frei geworden wären, wären zu einer Reserve geworden für mögliche neue EU-Mitglieds staaten. 27 der britischen Mandate sollten auf 14 Staaten verteilt werden, die derzeit unterreprä­sentiert sind. Doch der Brexit ist au den 31. Oktober verschoben, wenn er denn stattfinde­t. Das führt zu der ungewöhnli­chen Situation, dass Großbritan­nien an der Europawahl teilnehmen muss. Denn das neue Europaparl­ament konstituie­rt sich bereits Anfang Juli, also vier Monate vor dem möglichen Brexit-Datum.

➤ Wann gibt es Ergebnisse?

Erst am frühen Montagmorg­en wird klar sein, wie sich das neue Europaparl­ament genau zusammense­tzt. Erste Hochrechnu­ngen aus sieben Ländern werden allerdings bereits am Sonntagabe­nd um 18 Uhr erwartet. Das sind Deutschlan­d, Österreich, Zypern, Griechenla­nd, Irland, Malta und die Niederland­e. Um 19 Uhr gibt es Hochrechnu­ngen aus Bulgarien und Kroatien, um 20 Uhr kommen Frankreich, Dänemark und Spanien hinzu. Um 21 Uhr folgen Hochrechnu­ngen aus Polen, Portugal, Rumänien und Schweden. Eine erste Projektion über die wahrschein­liche Zusammense­tzung des Europaparl­aments gibt es um 21.15 Uhr. Kurz nach Mitternach­t müsste die Zusammense­tzung des Europaparl­aments dann ziemlich genau feststehen.

➤ Welche Auswirkung­en auf die Bundespoli­tik sind zu erwarten?

Die Europawahl ist ein wichtiger Stimmungst­est für die Bundespoli­tik. Entspreche­nd groß ist die Anspannung. Vor allem SPD-Chefin Andrea Nahles steht unter Druck. Seit Wochen gibt es Gerüchte über eine mögliche Ablösung. Ob es so weit kommt, hängt von der Schwere der zu erwartende­n Wahlnieder­lage ab. Ein Ergebnis um die 18 Prozent gilt angesichts der Lage als ehrbar, bei 16 Prozent würde es unruhig, unter 15 Prozent droht der Aufstand. Auch CDU-Chefin Union Annegret Kramp-Karrenbaue­r wird sehr genau verfolgen, wie weit der schwarze Balken nach unter geht. Für KrampKarre­nbauer verläuft die rote Linie bei 30 Prozent. Darunter wird es ungemütlic­h. Die Grünen sind drauf und dran, an der SPD vorbeizuzi­ehen. Mit großen Zugewinnen im Vergleich zur letzten Europawahl darf die Af rechnen.

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Das EP in Brüssel (Belgien). Die Parlamenta­rier tagen abwechseln­d an beiden Standorten. Blick auf das Europaparl­ament (EP) in Straßburg (Frankreich).

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